Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Tröstliches an sich. Es fühlte sich beinahe normal an.
Und sie war keine Dame von Stand, die er achten musste. Sie war nicht einmal mehr die Zofe einer Dewa. Er musste sich bei ihr nicht zurückhalten.
»Wo immer du herkommst«, sagte Borija. »Hier gehörst du mir. Vergiss das nie.« Er packte ihr Kleid am Ausschnitt und riss es auseinander. Die dünne Verschnürung gab nach. Borija riss das Kleid weiter auf und zog es herunter. Mit dem Unterkleid tat er dasselbe. Anisja stand nackt vor ihm, die Kleider um ihre Füße gewickelt.
Ihr schlanker Leib wirkte fast unberührt von dem Geist, der jetzt in ihr wohnte. Borija atmete auf. Er fühlte, wie die Lust in ihm wuchs. Er schloss die Finger um eine kleine feste Brust. Er sah an dem Mädchen hinab, zum sanften Schwung ihrer Beine, auf ihre einladenden Hüften. Ihre Haut zeigte einen Gelbstich, aber der ließ sich auf das Licht schieben.
»Ich komme von Gehenna«, sagte sie.
Borija stutzte. Anisja hielt den Kopf gesenkt. So konnte er ihr Gesicht nicht sehen, nur ihre zerzausten Haare. Anisjas Haar war rot, so wie es Swetjanas natürlicher Haarfarbe entsprach; nicht genau der gleiche Ton, sondern ein schweres bräunliches Rot, während dort, wo das Haar der Dewa nachwuchs, nur ein leichter Schimmer auszumachen war, wie der Glanz der Abendröte in fein gesponnenem Gold. Borija war froh, dass Anisja nicht aufschaute, weil er lieber ihr Haar ansah als ihr Gesicht und sich den Rest vorstellte.
Doch nun, als Anisjas Stimme an seine Ohren drang, leise und tonlos, eine geflüsterte Litanei unter den Haaren hervor, da schauderte ihn.
»Auf Gehenna ist alles Feuer. Meine Heimat ist eine Welt von brennendem Schwefel, die Luft ein glühendes Gas, das in Donnerstürmen die Meere aus flüssigem Blei aufwühlt und gegen die Ufer branden lässt. Dort komme ich her, mein Hauptmann.
Einst war es eine Welt wie die eure, so sagen die Vorfahren. Oder wir wurden von einer Welt wie der euren vertrieben und fanden nur auf Gehenna Zuflucht. Krieg, Wandel, der Lauf der Zeit – wen interessieren die alten Geschichten? Wir lernten, damit zu leben. Wir konnten uns verändern. Wir konnten sogar Dinge erschaffen, Maschinen aus körperloser Kraft, Waffen aus brennendem Stahl. Wir veränderten uns und überlebten, aber niemals ohne Schmerz. Gehenna verbrennt uns in jedem Augenblick Leben, den wir unserer Heimat abringen. Schmerz ist das einzige Gefühl seit Äonen, der Schmerz lässt keinen Raum für irgendetwas sonst.
Deswegen bin ich hergekommen. Darum habe ich mich gemeldet und wollte unter den ersten Kriegern sein, die das Tor durchschreiten. Ich will die Feinheit kennenlernen, die Schattierungen, alle Gefühle von der Verzückung des Nichts bis zum Brennen dieser fleischlichen Hüllen. Selbst euer Schmerz ist voller Abstufungen, die wir nicht kennen. Denn eure Welt ist fein, Hauptmann. So fein und mild, dass ein Geist von Gehenna im ersten Augenblick zerspringen mag, wenn er eure Luft spürt.
Da ist kein Brausen und Tosen, keine Pein, die von allen Seiten gegen uns drängt. Wir kämpfen gegen etwas an, aber hier gibt es nichts, was zurückkämpft, und unser ganzes Sein drängt ins Leere. Verstehst du, Hauptmann? Dafür brauchen wir eure Leiber, damit sie uns zusammenhalten. Deine Hand auf der Haut zeigt mir, wo ich aufhöre. Wir müssen auf dieser Welt die Grenzen spüren, damit wir nicht zerspringen.
Also zeige mir die Grenzen eurer Leiber. Zeige mir die Abstufung der Gefühle. Du möchtest gerne unser Lehrmeister sein, so habe ich Isme verstanden. Dann lehre mich! Ich bin neugierig, mein Hauptmann.«
Und Anisja blickte auf. Der Blick ihrer kalten gelben Augen traf Borija wie ein Schlag. Er wich einen Schritt zurück. Im selben Moment wurde ihm bewusst, dass die Haut unter seinen Händen nicht nur eine andere Farbe hatte, sie fühlte sich auch anders an, rau und fester, als sie sein sollte. Die Brust sank nicht weich herab, als Borija den Griff löste. Sie senkte sich in feinen harten Wellen wie ein dünnes Schuppenhemd. Und kalt! Anisja fühlte sich so kalt an wie eine Tote.
Die Erkenntnis kam über Borija wie Eiswasser. Er schaute auf Anisjas Mund, der schmal aussah und unnatürlich in die Breite gezogen. Sie lächelte ihn von unten herauf an. Zähne wie Glassplitter glänzten auf.
Zorn stieg in ihm hoch. Er würde sich nicht von diesen Dämonen unterkriegen lassen. Und, verdammt noch mal, es war immer noch Anisja die Magd, die da vor ihm stand!
Er trat wieder auf sie zu,
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