Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
diesen Körper gewöhnt habe. Vielleicht werde ich dann nachempfinden können, was ihr aneinander anziehend findet. Ich freue mich darauf. Sei froh, Isme, dass ich dir die Zeit dafür einräumen kann. Du kannst schon in unserer neuen Heimat leben , während ich selbst noch in so vielen Pflichten gefangen bin.«
»Ja«, sagte Isme. »Ich freu mich ja so.« Bei ihrer Stimme hätte Milch sauer werden können, ihr Blick ließ Borija zusammenschrumpeln.
»Das solltest du, meine Liebe«, entgegnete Tarukan. »Immerhin sind wir genau deswegen hier, um die Vorzüge dieser Welt zu genießen. Führe unseren Freund, deinen Hauptmann, zu der anderen Frau. Sag ihr, dass sie nun auch seinem Kommando untersteht, und wenn du dich gut machst, wird Borija dich vielleicht sogar zu seinem Unterführer ernennen, zu einem Korporal für die übrigen Krieger, die ich seinem Kommando noch zuteilen werde.«
»Aye, was ’ne Freude«, sagte Isme, als sie gemeinsam die Treppe vom Turm hinabstiegen. »Gleich der erste Strafdienst, und das nur, weil ich mir ’ne Hülle ausgeschaut hab, auf die so ein verrücktes Tier ’n Auge geworfen hat. Hätte mich da niemand warnen können, bevor ich rübergeh?«
Borija räusperte sich. »Ich hoffe, es gibt kein böses Blut zwischen uns, Gnädigste. Ich meine, weil ich nach der anderen Frau gefragt habe. Ich wollte damit keinesfalls andeuten, dass ich Euch gering achte.«
Borija spürte ihren Griff an seiner Schulter. Isme, die auf der Treppe hinter ihm ging, riss ihn zu sich herum und hob ihn mühelos hoch, mit nur einer Hand, die sie in seine Uniformjacke krallte.
»Du Wurm. Du Ungeziefer.« Ihr Speichel spritzte ihm ins Gesicht. »Ich achte dich gering! Du lächerlicher kleiner Mensch. Es ist ein Hohn, dass unsere hohen Fürsten dich in unserer Mitte dulden wie einen ausstaffierten Stabbasch !«
»Hm, ja.« Borija bewegte sich so wenig wie möglich und versuchte zu atmen in seiner verzwirbelten Kleidung. »Ich verstehe, Gnädigste. Ihr habt Euren Standpunkt deutlich gemacht. Wenn Ihr mich nun herunterlassen wollt, bleibt dieser Zwischenfall …«
»Du erbärmliche weiche Made kannst mich nicht beleidigen«, fuhr Isme fort. »Nicht durch eine Zurückweisung jedenfalls. Du beleidigst mich dadurch, dass ich von dir Befehle entgegennehmen muss. Du beleidigst mich in jedem Moment, in dem ich deine Gegenwart ertrage!«
»Dann, denke ich«, sagte Borija, »wird es am besten sein, für uns beide, wenn ich es vielleicht vermeide … wenn wir den Umgang auf das Nötigste beschränken. Wenn Ihr mich also einfach zu Anisja bringt, entbinde ich Euch gern bis auf Weiteres von Euren Pflichten.«
»Das hättest du gerne, was, Menschlein? Dich einfach davonzustehlen. Aber so leicht ist das nicht. Ich will , dass du mir Befehle gibst. Ich will , dass du etwas tust bei deinem Kommando.«
»Was?«, stammelte Borija verständnislos.
»Da staunst du, was? Hast gedacht, ich verkrieche mich gern und weiche den Dingen aus, die mich stören. Aber ich will sehen, wie du rumzappeltest als Hauptmann. Denn wer etwas tut, der macht auch Fehler. Und wenn du einen Fehler machst …« Isme hob die freie Hand. Ihre Finger wurden dünner und härter, bis es schließlich messerscharfe Klauen waren, die mit bedrohlichem Glanz vor Borijas Augen schwebten. »Wenn du einen Fehler machst, dann will ich danebenstehen. Ich werde dir eigenhändig das Herz aus dem Leib reißen und diesem aberwitzigen Schauspiel – ein Tier, das den Kriegern von Gehenna Befehle erteilt! – ein Ende setzen.«
Gontas ging zu der Tür. Mart und Tori folgten ihm. Das junge Mädchen mit den weißen Haaren sah ihm entgegen. Sie rappelte sich auf, als Gontas näher kam.
»Wer bist du?«, fragte er.
»Swetja …« Das Mädchen stockte. »Swetjana dewa Jerigin.«
Es klang, als hätte sie sich am liebsten hinter dem Namen versteckt.
»Sie hat uns hergeführt«, sagte Tori.
»Wir sind gemeinsam gekommen«, widersprach Swetjana. »Ich habe überhaupt niemanden geführt!«
»Was immer«, sagte Mart. »Sie stand jedenfalls hinter uns, als wir den Graubärten entgegengetreten sind und keiner mitgekommen ist.«
Gontas musterte das Mädchen von Kopf bis Fuß. Sie wand sich unter seinem Blick und drückte sich enger an die Wand. Diese Swetjana war bleich, doch im milden Abendlicht hatte ihre Haut nichts von dem kränklichen Grau, das Gontas in den Gesichtern der Bewahrer der Zitadelle erblickt hatte. Ihre Haut war zart, und es sah hübsch aus, das Mädchen aus
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