Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Röhre.
»Da sind zwei Frauen bei der Treppe«, flüsterte sie atemlos. »Sie tragen Waffen, und …« Sie verstummte. Anisja!
Ihre Zofe und Freundin stand bei einer kahlköpfigen Söldnerin aus dem Süden. Die Söldnerin war schwer gerüstet und schaute herausfordernd in den Raum. Anisja hielt eine Armbrust in der Hand und blieb im Hintergrund. Swetja hatte trotzdem nur Augen für sie.
Anisja hatte sich verändert. Ihre ganze Haltung strahlte etwas Bedrohliches aus, sie war fremd geworden. Das Gesicht wirkte hagerer und gealtert, das Kleid flatterte zerknittert um ihren Leib. Swetja sah die Veränderung, und gestern hatte sie den Griff dieser Kreatur sogar gespürt. Dennoch, es war Anisja!
Im Kristallpalast ist sie für mich umgekehrt. Sie hat mich vor Kirus dem Zauberer gerettet. Wie könnte ich sie im Stich lassen?
Swetja trat einen halben Schritt aus der Deckung heraus, da sprang Borija an ihre Seite und zog sie zurück.
»Vielleicht wissen sie gar nicht, dass wir hier sind«, hauchte er Swetja ins Ohr. »Wenn wir schnell sind, können wir in der Röhre verschwinden, bevor sie uns erreichen.« Er zog Swetja mit sich.
Stiefeltritte hallten durch den Raum, laut und herausfordernd. Sie kamen auf die beiden Menschen zu. »Hauptmann, mein Hauptmann«, rief eine Stimme, die rau und tief klang für eine Frau. »Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr Euch davonschleichen könnt, oh Hauptmann, ohne Eure getreuen Gefolgsfrauen, um die Ihr so gebettelt habt? Wir haben uns natürlich auf Euch eingestimmt, als wir Eurer Schar zugewiesen wurden. Wir wollten immer wissen, wo unser geliebter Anführer steckt.«
Borija blieb stocksteif stehen. Er fluchte unterdrückt. Swetja fühlte, wie seine Hand an ihrem Arm zitterte. »Ich muss ihr entgegentreten«, murmelte er. »Ich darf mich von diesem Ding nicht in die Enge treiben lassen.«
Dennoch blieb er stehen und rührte sich nicht.
Die Stimme kam näher. »Da standen wir also in der Versammlung und lauschten unserer Königin, oder wie man sie nennen mag auf dieser Welt, wo die Form so schnell wechselt wie die Flammen von Gehenna. Wir haben uns sehr gelangweilt. Aber stellt Euch unsere Überraschung vor, als wir plötzlich spürten, wie unser geliebter Hauptmann über unseren Köpfen herumschleicht. Da haben wir uns natürlich gedacht, was will der im Turm? Also kommen wir und sehen nach dem Rechten, und was stellen wir fest? Davonschleichen will er sich, mit einem frischen Stück Fleisch ganz für sich allein! Tststs …«
Borija straffte sich. Er zog den Säbel und trat auf die freie Fläche vor der Röhre, der kräftigen Söldnerin entgegen, die mit dem Schwert in der Hand auf ihn wartete. »Hast du denn gar nicht an unsere Gefühle gedacht, Hauptmann?«, fragte sie mit einem höhnischen Grinsen.
»Oh ja, eben drum«, gab Borija zurück. »Ich wollte die rührselige Abschiedsszene vermeiden, von der ich wusste, dass du sie mir machen würdest, Weib.«
»Ich habe es dir angekündigt«, erwiderte die Söldnerin. Sie hob die linke Hand, die zu einer Klaue mit messerscharfen Krallen verformt war. »Ich habe dir gesagt, wie ich fühle: Mein Herz brennt für den Tag, da ich dir deines herausreißen kann! Ich wusste, dass ein Mensch niemals treu sein wird. Wie schön, dass du mich nicht länger warten lässt und dass diese Demütigung ein Ende hat.«
»Aye«, antwortete Borija. »Ich freue mich auch, dass ich dich bald nicht mehr hören und sehen muss. Lass es uns zu Ende bringen.« Er bewegte sich so, dass die Söldnerin zwischen ihm und der besessenen Magd mit der Armbrust stand.
»Du hässliches, schwaches und völlig untaugliches Lasttier«, zischte die Söldnerin. »Nutzlose Missgeburt. Ich freue mich auf deinen Tod!« Sie hob das Schwert und griff an.
Borija parierte mit dem Säbel und wich der Klauenhand aus, die nach seinem Leib krallte. Ein weiteres Mal klirrte der Stahl aufeinander. Beim dritten Mal fing Borija das Schwert seiner Gegnerin in einer Kreiselbewegung, sein Säbel scharrte an der Klinge entlang, und die Söldnerin musste zurückspringen, damit er ihre Hand nicht traf. Sie streckte den anderen Arm vor, um das Gleichgewicht zu halten, Borijas Waffe zuckte vor – und er trennte mit einem raschen Streich vier Klauenfinger ab.
Die Söldnerin brüllte wütend. Kein Blut, sondern schwarzer zäher Schleim quoll aus ihren Fingerstümpfen. Borija schlug ihr Schwert zur Seite, mit einem Ausfallschritt war er neben ihr und hieb ihr den Säbel in die Flanke. Die Klinge
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