Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
schlang die Arme darum. Ihre Schultern pochten, aber es war erträglich. Gontas hatte Salben und Verbände dabeigehabt, und Swetja glaubte nicht, dass es im Heerlager mehr gab, was man für ihre Verletzungen tun konnte.
»Geht weiter«, sagte sie. »Ich bleibe hier.«
»Tapfere Musche, hm«, sagte Tori. »Und so dämlich.«
»Nein«, sagte Swetja. »Ich bin hier drin sicher. Die Flügelmänner können nicht herein, und wenn ihr im Rohr nach oben steigt, kommt auch von dort keiner der Dämonen an mich heran. Ihr müsst sie aufhalten, und wenn dieser Makri die anderen warnt, weiß niemand, wozu sie imstande sind, wenn wir ihnen die Zeit dazu lassen.«
»Vielleicht kommen wir nicht zurück«, sagte Gontas. »Dann wird das Versteck nicht lange sicher bleiben.«
»Sobald die Sonne scheint, kann ich allein fliehen«, erwiderte Swetja. »Die Geflügelten schlafen dann. Ich habe mich schon einmal an ihnen vorbeigeschlichen, und wenn die Dragoner fort sind, finde ich auch den Ausgang.«
Gontas sah sie an. Endlich nickte er. »Je schneller wir es zu Ende bringen, umso besser für alle.«
Er ließ Swetja etwas Wasser und Vorräte aus seiner Tasche zurück, und die drei Krieger machten sich auf. Sie folgten der Röhre aus Licht, den Stegen und Leitern und den Kriechgängen, die sich rings um den inneren Kern und um die gläsernen Wände wanden.
Gontas war schon einmal hier gewesen, als Tarukans Gefangener und im Fiebertraum. Jetzt flossen diese Erinnerungen mit den Bildern eines anderen Besuchs zusammen, eines anderen Zeitalters. Sardik war hier gewesen, kurz nachdem er die Dämonen von Gehenna das erste Mal besiegt hatte.
Er hatte die Zitadelle in Besitz genommen, er hatte die Anlage in dem Rohr umgestellt, sodass sie das Tor nach Gehenna nicht länger stützte, sondern es erschütterte. Er hatte Wachen hiergelassen, um die Zitadelle zu schützen. Was war damals schiefgegangen?
Gontas wühlte in den Bruchstücken einer Erinnerung, die nicht seine eigene war, doch er fand keine Antwort auf die Frage. Er war sich nicht einmal sicher, ob er ein weiteres Mal schaffen konnte, was Sardik getan hatte. Sardiks Wissen war dünn geworden im Laufe der Äonen. Viel war vergessen worden in ungezählten Menschenleben, und Gontas verstand die Maschine der Götter nicht mehr.
Der Weg durch das Rohr nahm Stunden in Anspruch, auch wenn es ganz gerade über die Bergflanke lief. Trotz aller Gedanken, die ihm durch den Kopf zogen, war Gontas aufmerksamer als beim letzten Mal und versank nicht in Trance und Träumen. Die funkelnden Eingeweide der Maschine waren nur Lichter, sie rissen seinen Geist nicht mit.
Es war Mart, der verträumt auf die Edelsteine und die goldenen Verbindungsstücke starrte, die hinter dem Glas auf ihn warteten.
»Ein Kampf, ein Sieg«, murmelte er. »Und die Schätze der Zitadelle gehören mir. Wird am Ende also doch noch alles so kommen, wie ich es mir vorgestellt habe.«
38.
Gontas hielt seine Begleiter zurück, als er vor sich in der Ferne eine Wand von Kristall erstrahlen sah. Er dachte an die Luken unter der Decke und an die Stäbe der Bewahrer, die dort auf Tarukans Männer herabgestoßen waren.
»Seid vorsichtig. Wir haben den Turm erreicht, und wir wissen nicht, was uns erwartet.«
Geduckt schlich er auf das Ende der Röhre zu, jederzeit bereit, zur Seite zu springen, wenn an der Außenwand eine Klappe aufsprang. Aber nichts geschah. Gontas untersuchte die Wand in der Nähe einer Öffnung, an die er sich erinnerte, und fand einen Riegel.
Er öffnete den Einlass und spähte hindurch.
Das hohe Turmzimmer lag vor ihm, kalt und windig und durchtränkt vom Licht des Styx. Gontas sah einen Teil der alchemistischen Apparaturen, der gläsernen Leitungen, die den Raum durchzogen. Er erkannte sogar den hohen Kolben, in dem eine blaue Tinktur blubberte.
Davon abgesehen wirkte die Kammer leer.
»Wir gehen raus. Aber leise!«, flüsterte Gontas seinen Begleitern zu.
Verstohlen stiegen sie hinaus. Auf dieser Seite war das zehn Schritt hohe Rohr von Gerüsten umkleidet. Leitern führten hinauf und hinab zu den unterschiedlichen Durchlässen ins Innere. Die Stützen boten den Eindringlingen Deckung.
Sie schlichen zum Ende des Rohrs und sahen den Treppenabgang. Wo waren die Dämonen? Wo war der Zauberer, den sie unten im Tal hatten flüchten sehen?
Gontas ging um das Rohr herum, und endlich fand er einen Bewohner der Zitadelle: Eine Gestalt stand vor einem der Fenster, die nach Süden wiesen, gleich neben der
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