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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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starrte sie an. Er weigerte sich, etwas anderes in ihr zu sehen als das Kind, das er in seinem Zelt aufgenommen hatte.
    »Naran«, stammelte er dennoch. »Du bist Naran, der Fürst von Gehenna!«
    Halime schüttelte den Kopf. Gontas wich zurück vor der Hand, die sie ihm hinhielt.
    »Ich bin Halime«, sagte sie. »Jetzt bin ich Halime, genau wie du Gontas bist. Oder bist du etwas anderes? Bist du Sardik der Schwertkämpfer, der schon längst gestorben ist? Ein Geist von Gehenna? Oder bist du Gontas, der Mensch?
    Du kannst nicht glauben, dass du Gontas bist, und zugleich etwas anderes in mir sehen als Halime, deinen Schützling, dem du Gastfreundschaft gewährt hast.«
    »Geister …«, stammelte Gontas. »Geister, helft mir.« Er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte gegen Tarukan kämpfen, aber nicht gegen die Hand eines Kindes, die sich ihm entgegenstreckte. »Was … was geschieht hier?«
    »Als Sardik den Fürsten der Walaren besiegte«, sagte Halime, »glaubst du, dass der da starb? Die Stärksten der Geister von Gehenna können lange ohne Hülle auf dieser Welt überleben. Wie hätten sie sonst hierher gelangen können, als es noch keine Hüllen gab?
    Als Sardik ihn erschlug, war Narans Geist frei. Er kehrte nicht zurück nach Gehenna, solange das Tor offen stand, sondern er blieb. Er hatte Fragen. Wie konnte es sein, dass die Menschen ihn besiegt hatten? Wie konnte es sein, dass sein treuer Gefolgsmann ihn betrogen hatte?
    Naran blieb also auf dieser Welt und suchte Antworten.
    Sein Geist war dabei, als Sardik den Schutzkreis um die Zitadelle durchbrach und die Straße des Lichts so umstellte, dass die Tore erschüttert wurden und fast zum Einsturz kamen. Er verfolgte, wie Sardik die Zitadelle in die Obhut von Menschen gab.
    Aber nicht alle Menschen wandten sich von den Göttern ab. Manche sehnten unsere Rückkehr herbei, auf dass wir ihnen die Vollkommenheit bringen sollten, für die ihr Leib bestimmt ist. Sie erbauten eine Stadt an den Ufern des Lethe, da, wo das Blut der Götter in den Boden geflossen war.
    Kirus der Zauberer war einer dieser Anhänger. Er drang in die Zitadelle ein, die von Sardiks Getreuen bewacht wurde, und er raubte den Fokus und brachte ihn in Sicherheit. Von unserem Boten Borija haben wir erfahren, dass er am Ende von uns abfiel. In jenen ersten Jahren nach unserer Niederlage aber war Kirus ein Held. Denn ohne den Fokus konnte Sardik die Tore nach Gehenna nicht endgültig schließen.
    Dann kehrten unsere eigenen Hüter in die Zitadelle zurück. Sardik hatte sie erschlagen, doch er übersah, dass wir sie auf besondere Weise mit der Zitadelle verbunden hatten. So vertrieben unsere Hüter schließlich die Bewahrer, die Sardik eingesetzt hatte, und nahmen deren Platz ein. Sie setzten die Straße des Lichts wieder instand und bewahrten die Zitadelle über die Jahrtausende, bis der Aufruhr in den Toren sich legte und die Pfade des Styx durchlässig wurden.
    All das sah Naran. Und er studierte die neuen Menschen, die Sardik den Göttern von Gehenna abspenstig gemacht hatte. Er ging denselben Weg wie Sardik und veränderte sich, bis er ebenfalls in den verderbten Menschen überdauern konnte.
    Er fand die Nachfahren von Sardiks Bewahrern in der Verbannung, wo sie davon träumten, die Festung der Götter eines Tages zurückzuerobern und zu zerstören. So kam es, dass der Geist, der einst Naran gewesen war, in einem Leib wiedergeboren werden konnte, der Zugang zur Zitadelle hatte, als die Zeit reif war, um seine Heere zu empfangen und den zweiten Vorstoß auf diese Welt anzuführen. Auf dem Weg dorthin schaute jenes Mädchen auch bei ihrem alten Freund Gontas vorbei, denn immerhin waren sie in einem früheren Leben Brüder gewesen, und sie wollte ihn mitnehmen auf diese Reise.
    Sie wollte ihn mitnehmen nach Hause, zu seinem Volk. Sardik und Naran hatten gegeneinander gekämpft, doch das ist nicht unsere Bestimmung. Einst sind wir gemeinsam auf diese Welt gekommen, und wir sollten wieder vereint sein nach so langer Zeit und die Fehler vergessen.«
    Halime stand immer noch vor Gontas. Sie breitete die Arme aus. Gontas sah auf sie hinab. Sein Arm mit der Axt hing herunter, die Klinge berührte den Boden. Der Schaft war seinen kraftlosen Fingern schon halb entglitten.
    »Du …«, murmelte er. »Du warst Naran. Von Anfang an bist du zu meinen Zelten gekommen, um mich zu verwirren und zu täuschen.«
    Halime lächelte. »Ich bin wie du«, sagte sie. »Wir haben beide einen langen Weg hinter uns,

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