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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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und das größte Stück davon haben wir blind zurückgelegt. Unsere Geister sind dünn geworden, und wir sind beide nicht mehr die, die wir einst waren. Wir leben in einem untauglichen Leib, um den Preis, dass wir als Menschen heranwachsen und die meiste Zeit nicht mehr wissen, wer wir sind.
    Als ich zu deinen Zelten kam, mag ich getrieben gewesen sein von Plänen, die über lange Zeit geschmiedet worden waren. Aber das war nur ein Teil von mir, und es war tief in meinem Inneren vergraben. Ich war Halime, und was mich bewegte, das waren Träume, die halb verstandenen Lehren und Legenden meiner Eltern, die ich auf dieser Welt gehabt habe. All die Gedanken und Empfindungen eines Kindes.
    Es waren Halime und Gontas, die einander im Buschland begegneten, die beide verloren waren und nicht wussten, was für ein Weg vor ihnen liegt. Die sich gegenseitig Halt gaben oder eine Aufgabe. Du bist mein Krieger und Beschützer geworden, wie du es einst schon hättest sein sollen.
    Ich war Halime, und ich bin es noch. Die Macht der Zitadelle verleiht unserem Geist ein wenig Klarheit, doch sie verändert weder, was wir waren, noch, was wir sind. All das hast du selbst erlebt. Du warst Gontas. Du bist es jetzt und träumst nur mitunter von anderen Leben.
    Da war keine Täuschung dabei, nur das, was wir wirklich sind und weiterhin sein können.«
    »Willst du mir erzählen«, entgegnete Gontas matt, »dass du Sardiks Verrat einfach vergessen willst? Ich soll wieder meinen alten Platz einnehmen, als wären all diese Äonen, all diese Leben niemals gewesen?«
    Halime zuckte die Achseln. »Es war eine Krankheit und eine Verwirrung, die dich befallen hat. Das kann den Stärksten widerfahren. Es ist schon anderen Kundschaftern von Gehenna passiert, nur nicht so folgenreich wie in deinem Fall. Selbst ich habe diesen Sog gespürt im Laufe der Zeit.
    Wir bleiben zu lange in dieser fremden Welt und in einem fremden Körper. Als du unseren Krieg vorbereitet hast, musstest du nah bei den Menschen leben und so lange einen der ihren spielen, bis du selbst daran geglaubt hast.
    Als wir, deine Brüder, endlich gekommen sind, waren wir dir fremd geworden. Weil du dich als Teil dieser Welt fühltest, wurden wir zu Eindringlingen. Aber das war keine Erkenntnis und keine Entscheidung von dir, es war nur eine Verwirrung. Du brauchtest Hilfe, keinen Krieg, so viel habe ich in all dieser Zeit gelernt.
    In meinen wachen Momenten im Kreislauf der Wiedergeburten habe ich darüber gegrübelt, wie es sich heilen lässt. Und ich habe einen Weg gefunden. Wenn einer deiner Brüder dir in einer Gestalt gegenübertritt, die dir vertraut ist, wenn du dich ihm wieder verbunden fühlst, muss dich das dann nicht daran erinnern, wohin du gehörst? Muss es dich nicht daran hindern, deine Hand zu erheben gegen einen Feind, den du dir nur eingebildet hast, gegen deine Brüder, die du nur nicht mehr erkennst, weil du zu lange fern warst von ihnen?«
    »Ich …«, sagte Gontas. »Ich bin nicht so.« Er wies auf den verzerrten Graubart und auf den verrückten Zauberer. Er wies auf das immer noch grauenvoll entstellt aussehende Tarukan-Wesen. »Ich bin kein Dämon von Gehenna. Ich bin ein Mensch!«
    Halime strich ihr Kleid glatt. »Ich weiß«, antwortete sie. »Ich weiß, was du bist. Aber was ist ein Mensch? Diese Wesen, die du Dämonen nennst, sind nichts weiter als die Geschöpfe, die das Volk von Gehenna zum Überleben auf dieser Welt erschaffen hat. Du und ich, wir sind das, was Sardik für sich selbst erschaffen hat. Du siehst, der Unterschied, den du wahrnimmst, er ist nicht wirklich. Das, was du Mensch nennst, und die Dämonen, die du siehst – beides sind nur Werke, die von Geistern Gehennas geschaffen wurden.
    Wir können auf dieser Welt sein, was wir wollen. Was zählt, ist das, was wir fühlen. Die Verbundenheit. Die Herkunft. Wir sind die Pioniere Gehennas, die überlebt haben, Gontas. Wenn erst einmal unsere Gelehrten und unsere Weisen und unsere Zauberer hier sind, unsere Baumeister und unsere Heiler, dann können sie unseren Geist wieder aus diesem Leib herausdestillieren und stärken, genau wie es mit jenen geschwächten Schemen geschieht, die aus unserer Heimat neu hierherkommen. Die körperliche Gestalt ist nicht von Bedeutung, und die Veränderungen, die wir erfahren haben, sind nicht unumkehrbar.
    Wir können beide wieder sein, was wir einst waren, und all die Jahrtausende in der Verbannung werden verblassen wie ein bloßer Traum. Du kannst zu deinem Volk

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