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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Wajdaka. Swetjana sah sich aufgeregt um. Sie trug ein himmelblaues Ballkleid aus schimmerndem Seidentaft mit einem weißen Spitzenbesatz an der Brust, der den Ausschnitt des Kleides ein wenig verbarg – ein Kompromiss, auf den sie sich mit ihrem Vater geeinigt hatte. Um den Hals trug sie eine Perlenkette ihrer Mutter, eine weitere Perlenschnur hatte sie sich um die hochgesteckten Haare gewunden. Dennoch, als sie jetzt die Garderobe der edlen Damen aus allen Ecken Modwinjas neben sich sah, wurde ihr Herz ganz flittrig. Vor allem im Vergleich zu den Hofdamen, die ständig in der Hauptstadt wohnten, kam sie sich regelrecht bäurisch vor.
    Alle Gäste standen im prachtvollen neuen Ballsaal aufgereiht für die Königin. Kristalllüster schimmerten unter der Decke, Wände und Parkett waren aus glänzendem Holz. Dem Eingangsportal gegenüber auf der anderen Seite der weitläufigen Halle, verlief eine Fensterfront über die ganze Wand. Sie gab den Blick frei auf den Park. Es waren große, klare und glatte Fenster, die für sich schon eine Kostbarkeit darstellten. Aber der Park versank bereits im Dämmerlicht, sodass man in den Fenstern vor allem die prunkvollen Lichter des Ballsaals gespiegelt sah.
    Die Damen standen links vom Portal, die Herren rechts. Im Hintergrund warteten livrierte Diener darauf, dass die Königin die Doppelreihe abgeschritten hatte und das Fest seinen Anfang nahm. Swetja hatte sich einen guten Platz in der Mitte der Reihe sichern können – nicht ganz vorn unter den Fürsten, aber auch nicht hinten unter den zweiten oder dritten Töchtern. Sie musterte die Herren, die ihr gegenüberstanden. Ihr Vater wartete ein Stück näher am Eingang. Swetja konnte noch sein braunes Haar und den gepflegten Schnurrbart ausmachen. Ihr gegenüber stand ein junger Mann, der die Uniform der Dragoner trug. Sie versuchte sich zu erinnern, wer der Offizier war. Vorsichtshalber lächelte sie ihm zu.
    Da kündigte ein Fanfarenstoß den Auftritt der Königin an.
    Die Monarchin von Modwinja schritt durch das mit Elfenbeinblüten geschmückte Portal. Huldvoll blickte sie nach links und nach rechts, während die Damen vor ihr knicksten und die Herren sich verneigten.
    Königin Jeliseta war keine alte Frau. Trotzdem war ihr lockiges Haar weiß, eine Perücke, ohne Frage. Sie trug die Krone, seit ihr Bruder kinderlos gestorben war, und niemand wusste, wie es mit der Dynastie weitergehen sollte, wenn die unverheiratete Monarchin eines Tages die Herrschaft abgeben würde. Aber das waren Sorgen für die Zukunft. Jeliseta war erst in den Dreißigern, sie hatte sich mehr Autorität verschafft als viele ihrer Vorgänger, und in Modwinja herrschte Frieden.
    Links von der Königin ging die erste Zofe, wie das Protokoll es gebot. Schemenhaft sah Swetja allerdings einen weiteren Kopf hinter der rechten Schulter der Königin. Wer ging da auf einer Position, die womöglich einem Prinzgemahl zustand?
    Swetja reckte sich, zugleich errötete sie bei dem Gedanken, wie unziemlich ihre Neugier war.
    Doch die Königin kam näher, und Swetjas Neugier schlug um in Befremden, schließlich in Beunruhigung. Was ging da vor?
    Sie erkannte, dass das Gesicht hinter der Königin zu einer weiblichen Begleitung gehörte. Bald sah sie es deutlicher, und der Anblick flößte ihr Grauen ein. Es war eine Frau mit langen schwarzen Haaren, die strähnig und fettig herabhingen. Das Antlitz war bleich, fast weiß, und es schluckte den Schein der Kandelaber ohne jeden Glanz. Die Züge der Frau waren starr, so als trüge sie eine Larve aus Porzellan. Ihre Augen waren halb geschlossen, und der Blick, den Swetja unter den Lidern zu erahnen meinte, hatte etwas Lebloses an sich. Die Fremde hinter der Königin sah aus wie eine Tote oder wie eine lebensgroße Puppe. Sie ging so dicht bei der Monarchin, dass ihr Gesicht fast wirkte wie ein zweiter Kopf auf Jelisetas Schulter.
    Wieder schlug Swetjas Herz schneller, diesmal vor Entsetzen. Was war das für eine Person, die die Königin mit auf den Ball brachte? Und warum zeigte sich sonst niemand unter den Anwesenden befremdet über diese Erscheinung? Swetja zweifelte immer mehr, ob das, was sie sah, wirklich war. Schlief sie etwa und es war nur ein Albtraum, der sie plagte?
    Noch etwas Merkwürdiges fiel ihr auf, als die Königin herankam: Wann immer die Dame, die in der Reihe der Höflinge ihrer Monarchin am nächsten stand, knickste, wann immer die Königin dazu nickte, fand ein Austausch statt. Etwas sprang über …
    Swetja

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