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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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blinzelte, aber es war immer noch da.
    Bei jedem Knicks strahlte ein feiner blauer Bogen in der Luft auf, der von der Königin zur jeweiligen Edlen führte. Das geisterhafte Leuchten blieb eine Weile bestehen, und jede Dame, an der die Königin vorüber war, stand danach ein wenig steifer da als zuvor. Das Rascheln der Kleider und die unruhigen Atemzüge von der Stirnseite der Halle verstummten. Im Gefolge der Königin zog eine Stille durch die Reihen, als würde die unheimliche Gestalt, die an Jelisetas Seite ging, jedem, an dem sie vorüberkam, das Leben aussaugen.
    Swetja schaute wieder zu den Herren hinüber. Der Blick des Offiziers ihr gegenüber war leicht abgewandt und starr auf die Königin gerichtet. Die Herren im Saal regten sich nicht mehr, und Swetja sah nun auch dort das geisterhafte blaue Leuchten. Kaum merklich umspielte es die Silhouetten der Männer, dann und wann stoben Funken auf und flogen auf die Königin zu, auch von den Deveni, bei denen Königin bisher noch gar nicht gewesen war.
    Mit Unbehagen dachte Swetja daran, dass die Königin mit den Männern bereits den ganzen Tag gemeinsam im Kronrat verbracht hatte. Genug Zeit, um mit ihnen geschehen zu lassen … was auch immer hier geschah.
    »Vater«, hauchte Swetja ängstlich.
    Sie schaute zu dew Juvan hinüber, aber auch der hatte nur Augen für die Königin. Als Jeliseta bei ihm war, verbeugte er sich. Nicht ein einziges Mal wandte er sich seiner Tochter zu.
    Swetja war allein in diesem Saal mit all den Menschen. Warum bemerkte niemand sonst, was sie bemerkte?
    Ein Wimmern stieg aus ihrer Kehle. Sie konnte es nicht zurückhalten. Was sollte sie tun? Unruhig scharrte sie mit den Füßen. Die Frau links neben ihr sah missbilligend zu ihr hin.
    Swetja fühlte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, während ein eisiger Schauder ihr in die Knochen fuhr. Sie bekam kaum noch Luft. Ihr Mieder schnürte sie viel zu sehr ein. Fast wünschte sie, sie würde in Ohnmacht fallen, aber dieser Fluchtweg bot sich ihr nicht.
    Stattdessen, als sie das nächste Mal in Richtung der Königin blickte, sah deren Begleiterin sie geradewegs an. Die schlaffen Lider in dem blassen Gesicht hoben sich ein klein wenig, die Augen darunter waren schwarz.
    Swetja konnte es nicht länger ertragen. Mit einem Aufschrei fuhr sie herum. Sie trat aus der Reihe und lief auf die Fensterfront zu. In ihren Ballschuhen bekam sie nur tippelnde Schritte zustande, und sie streifte sie im Laufen ab und rannte barfuß weiter.
    In der deckenhohen Glasfront gab es Türen, die in den Park führten. Swetja entriegelte eine davon. Sie hörte die Unruhe hinter sich und drehte den Kopf. Die Damen am Ende der Reihe schauten in ihre Richtung. Sie tuschelten.
    »Was denkt die sich denn?«, rief eine empörte Stimme.
    Aber Swetja sah noch mehr. Die Damen, an denen die Königin schon vorbeigeschritten war, schienen unberührt von dem Vorfall. Auch die Herren im Saal regten sich nicht. Dann, wie an einer Schnur gezogen, wandten alle das Gesicht zur Fensterfront und starrten Swetja schweigend an. Doch im selben Augenblick löste sich die unheimliche Frau aus dem Schatten der Königin. Sie stürmte los, geradewegs aufs Swetja zu!
    Swetja stieß die Glastür auf und floh hinaus in die Dämmerung.
    Vor dem Ballsaal lag eine schmale Terrasse, gleich dahinter ein gepflegter Rasen. In der Ferne drohten Schattengestalten. Swetja erstarrte. Sie wandte sich um und blickte genau in das fahle Puppengesicht, um das die strähnigen Haare flogen wie lebende Schlangen. Die Fremde lief auf sie zu, in langen Sätzen, die so ungelenk wirkten, als wäre sie tatsächlich eine Marionette.
    Swetja wandte sich ab und lief weiter.
    Sie wich den Schatten auf der Wiese aus, bis sie zu zwei Silhouetten kam, die dicht beieinanderstanden und ihr den Weg versperrten. Swetja zog den Kopf ein und huschte dazwischen hindurch. Im Vorüberlaufen erkannte sie zwei ganz gewöhnliche Bäume, die von den Gärtnern zu fantasievollen Formen geschnitten waren – der eine mochte ein Fisch sein, der andere vielleicht ein Vogel.
    Swetja atmete auf. Sie erkannte jetzt, dass der dunkle Streifen, der sich vor ihr erhob wie ein Wall, der Rand eines Waldes sein musste. Dort würde sie vielleicht ein Versteck finden.
    Es war eine Hecke.
    Swetja blieb unvermittelt stehen. Aber das Hindernis vor ihr war nicht dicht zugewachsen, sondern bestand aus verspielten kleinen Büschen, und Swetja floh durch eine Lücke in ein Labyrinth. Sträucher und Gruppen von

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