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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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gesprochen, aber die Truppe, die er gesammelt hatte, war ein regelrechtes Heer. Swetja konnte die Reiter gar nicht zählen. Sie saß wie betäubt auf ihrem Pferd und ließ sich in der Masse treiben.
    Die lange Reihe der Berittenen schwenkte bald nach Osten ab. Sie kreuzten die Jûna. Die Länder dahinter waren weitläufig und spärlich besiedelt. Oft ritten sie am Saum düsterer Forste entlang, die endlos wirkten und die doch nur wie versprengte Inseln der riesigen Wälder waren, die weiter im Osten lagen. Swetja hatte kaum einen Blick dafür.
    Als sie den Resjin erreichten, den Grenzfluss von Modwinja, hatten ihre Augen keine Tränen mehr. Starr und blicklos sah sie geradeaus, und der Staub, den die Pferde vor ihr aufwirbelten, brannte ihr trostlos in den Augen.
    Zwei Tage lang folgten sie dem Lauf des Flusses auf einer Uferstraße, die nicht mehr war als ein Weg. Als sie den Ort erreichten, wo der Resjin in die mächtige Djena mündete, fand Swetja langsam ins Leben zurück.
    Die Betäubung, die mit dem Tod ihres Vaters in ihre Glieder gezogen war, wich von ihr, und die Benommenheit hob sich von ihren Gedanken. Die Reise schliff ihre Trauer ab. Doch damit drangen auch die Strapazen zu ihr durch, die Schmerzen, die bisher kaum am Rand ihres Bewusstseins gezupft hatten. Ihre Beine waren wund, und jeder Muskel brannte. Sie war noch nie so lange an einem Stück geritten.
    Die Erschöpfung, die damit einherging, war eine rein körperliche. Sie ließ Raum, dass sie sich mit dem befassen konnte, was um sie herum vorging. Als Erstes wandte sie sich an Hauptmann Borija, der seit Wajdaka im vorderen Drittel des Zuges neben ihr geritten war, mit dem sie aber kaum ein Wort gewechselt hatte, nachdem sie von ihm erfahren hatte, wie Deveni Juvan auf der Flucht gestorben war.
    »Wir sollten sie gehen lassen«, sagte sie.
    »Was?«, fragte Borija verständnislos.
    Swetja wies auf die namenlose Schankmaid aus Wajdaka, die an ihrer anderen Seite ritt. Die Augen des Mädchens waren rot verquollen, und immer wieder schluchzte sie, mit einer Ausdauer, dass Swetja sich ihrer eigenen allzu rasch versiegten Trauer schämte.
    »Das Mädchen?« Borija hob die Brauen. »Ihr habt selbst gesagt, dass Ihr eine Zofe braucht.«
    »Ja, in Wajdaka«, erwiderte Swetja. »Inzwischen trage ich kein Mieder mehr, und kein Kleid, das ich nicht ohne Hilfe anziehen kann. Es ist nicht nötig, das arme Ding bis ans Ende der Welt zu verschleppen oder wohin auch immer Ihr wollt, Hauptmann.«
    »Meinetwegen.« Borija lenkte sein Pferd zur Seite. »He, Mädchen, steig ab!«, rief er. »Du kannst gehen.«
    »Ihr wollt ihr nicht einmal ein Pferd lassen?«, rief Swetja empört. »Sie kann unmöglich zu Fuß durch das ganze Land wandern.«
    »Es wird ihr nicht besser gehen, wenn sie auf einem Kavalleriepferd zurück in die Hauptstadt kommt«, erwiderte Borija. »Als Diebin gehängt – das wäre das Wenigste, was auf sie wartet.«
    Die strohblonde Magd saß gehorsam ab. Verloren stand sie zwischen all den Reitern, die sich auf den unbefestigten Wegen der kleinen Grenzstadt zwischen den Flüssen stauten. Borija griff unter seine Weste und zog eine Börse hervor. Er prüfte den Inhalt und warf der Magd das Säckchen zu.
    »Da«, sagte er. »Als Lohn und für den Rückweg. Jetzt troll dich.«
    Die Magd huschte davon, und Swetja sah ihr sorgenvoll nach. »Wird sie es schaffen?«, fragte sie. »Was, wenn ihr an der nächsten Wegkreuzung schon irgendein Gesindel das Geld wieder abnimmt oder ihr noch etwas Schlimmeres antut?«
    Borija zuckte die Achseln. »Das hättet Ihr Euch überlegen sollen, bevor Ihr mich gebeten habt, sie wegzuschicken. Wenn es Euch ein Trost ist: Ich glaube, dem Mädchen ist es lieber so. Die Reise ist für uns alle gefährlich, und sie wird ihr Glück lieber auf dem Weg nach Hause versuchen als in der Fremde mit uns.«
    »Ihr könntet ein oder zwei Eurer Männer mit ihr mitschicken.«
    Borija lachte. »Soll ich jedem Bauern, dem etwas passieren könnte, einen eigenen Soldaten als Leibwache an die Seite stellen, dewa Swetjana? Da gingen mir rasch die Männer aus. Außerdem kann ich keinen von meinen Dragonern zurückschicken, nachdem wir so offen davongeritten sind. Wo denkt Ihr hin, Gnädigste?«
    Swetja senkte unglücklich den Kopf. »Ihr habt recht, Hauptmann. Ich kann mich schwer daran gewöhnen, dass wir selbst Flüchtlinge sind. Ob wir je zurückkehren werden? Glaubt Ihr, Hauptmann Borija, wir werden verfolgt? Ihr habt uns in dieser Woche

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