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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Tag ging zur Neige. Das Licht zog sich zurück. Nebel kam auf, keine Seltenheit in dieser sumpfigen Gegend.
    Nora könnte langsam zurückkommen, dachte Bernd. Er zuckte zusammen. War das nicht Nora, dort am Ufer des Teiches, vor der großen Weide, an der die Katze ihren grausamen Tod gefunden hatte? Aber das konnte doch nicht sein. Nora war doch bei Rut im Krankenhaus.
    Nora schien auf den uralten Baum zuzugehen und dann … war sie verschwunden. Bernd sprang auf. Er durchquerte das Wohnzimmer. Aber wie angewurzelt blieb er gleich darauf wieder stehen. Ein eiskalter Luftzug griff ihm in die Kleidung. Doch dann war er nicht mehr aufzuhalten. Er stürzte ins Freie. Harter Wind verschlug ihm fast den Atem. Aber unaufhaltsam strebte er der Weide entgegen. Als er schon ihre Rinde riechen konnte, riss sie mit einem entsetzlichen Laut auseinander. Der Länge nach erschien ein weißer Spalt vom Boden bis hinauf zu ihrem dicken Kopf. Licht stürzte aus dieser Öffnung. Unsagbare Laute erklangen aus dem Inneren der Weide, Töne, so uralt und ergreifend, in pochendem, drängendem Rhythmus. Der Baum öffnete sich wie ein Tor zu einer anderen Welt. Bernd sah in die hell erleuchteten Tiefen des Baumes. Er erkannte ineinander verschlungene Leiber. Tobte da ein Kampf oder eine Orgie oder beides? Glühender Nebel umfing ihn, zog ihn vorwärts auf die Öffnung zu. Aus dem Nebel griffen harte Arme nach ihm, umschlangen seine Brust, seinen Hals, hoben ihn empor. Bernd bekam keine Luft mehr, ein krampfhafter Husten schüttelte ihn, er würgte...
     
    *****
     
    Nora stand neben Mark Kolob vor der alten Weide. Bernd hing in unnatürlich verrenkter Haltung in der Krone des Baumes. Sein Kopf war zwischen zwei dicken Aststümpfen eingeklemmt, sein Körper hing leblos herab. Um den Baum herum arbeiteten Beamte der Spurensicherung.
    "Können Sie ihn nicht endlich abnehmen lassen?" , fragte Nora.
    "Ich leite diese Untersuchung nicht. Jetzt hat die Mordkommission das Sagen", antwortete Mark Kolob. "Lassen Sie uns ins Haus gehen. Hier ist doch nichts mehr zu tun."
    Nora drehte sich um und ging traumwandlerisch vor ihm her den Weg zu ihrem Haus zurück. Sie näherte sich der Haustüre, als sie das Telefon im Wohnzimmer klingeln hörte. Mark Kolob stürmte an ihr vorbei, raste zum Telefon und hob ab. Er sah Nora an und sagte: "Eingehängt!"
    "Wie schafft er das?" Noras Stimme bekam einen hysterischen Unterton. Sie ließ sich im Wohnzimmer in einen Sessel fallen. "Wie schafft er das, immer zu wissen, wo ich bin und all das übrige?"
    "In der Tat, hier sind Vorgänge im Spiel, die das Maß des Gewöhnlichen weit überschreiten", räumte Kolob ein. "Ich sagte Ihnen ja schon gleich nach dieser Sache mit der Katze..."
    "Wissen Sie", unterbrach ihn Nora herb, "was ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen kann ist ein klugscheißerischer Mann. Einer, der alles besser weiß. Dieser Typ am Telefon reicht mir in dieser Beziehung voll und ganz."
    "Und Sie haben wirklich keinerlei Erinnerung, keine Ahnung?" , fragte Kolob, ohne auf ihren harten Ton einzugehen.
    "Ich habe mir schon den Kopf darüber zerbrochen, wer das sein könnte. Aber es ist, als würde sich jedes Mal eine innere Sperre aufrichten, wenn ich an ihn zu denken beginne."
    "Sie haben keine Ahnung, was diese innere Sperre verbirgt?"
    Nora schüttelte den Kopf. Plötzlich sagte sie: "Ich habe einmal gelesen, dass sich zwischen Opfer und Folterknecht eine ganz intime, intensive Beziehung aufbaut, eine Tabubeziehung."
    " So etwas Ähnliches wie das Stockholmsyndrom bei Entführungen: Die Identifikation der Entführten mit den Entführern?", fragte Kolob.
    "Ich meine", tastete sich Nora in diese Eingebung hinein, "er kennt deinen ganzen Körper, er kennt deine absolut persönlichen Gefühle. Insoweit ist solch eine Beziehung auf grauenhafte, erzwungene Weise intim."
    "Und Sie kennen jemanden, der Sie an einen solchen Folterknecht erinnert?", versuchte Mark ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
    "Es ist mehr so, dass in alledem etwas für mich Bekanntes steckt. Dieser Geruch, an den ich mich erinnere, die Erinnerung an kranke Haut, das Blut bei Rut, diese nicht heilenden Wunden, diese gnadenlose Konsequenz und auch diese mystische Allwissenheit, mit der er mich konfrontiert...".
    In diesem Augenblick klopfte es an der Türe. Mark Kolob öffnete , und die Beamten der Mordkommission überschwemmten Noras Wohnzimmer. Die Vernehmung bekam eine ganz andere, von Sachlichkeit geprägte Wendung. Nach

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