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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Würde an: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er allein abgehauen ist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er irgendein raffgieriges Weib mitgenommen hat. All die Jahre, genau gesagt siebenundzwanzig Jahre lang, hat er andere Frauen gehabt. Und ich habe das großzügig geschehen lassen."
    "Sicher!", warf Elmar ein. "Vor allem warst du zu träge, selbst für deinen Unterhalt aufzukommen."
    Aber Mutter Sozowski ließ sich nicht beirren. "Selbst als er sich jetzt mit dieser jungen Rothaarigen traf, habe ich nichts gesagt."
    "Mit welcher Rothaarigen?" forschte Elmar.
    "Nun", sagte Frau Sozowski. "Mit der Tochter von Nörwich."
    Elmar kannte diese Tochter, eine wirklich junge Frau, dreiundzwanzig Jahre alt, sportlich, hübsch und gierig. Sie war nicht nur äußerlich ihrem Vater sehr ähnlich.
    "Ihr a lter Herr hat sie vielleicht zu knapp gehalten."
    Elmar dachte nach. Wohin geht ein fünfzigjähriger Versager, der sich als Gewinner fühlt, mit einer Million Mark im Koffer und einer gierigen, rothaarigen Dreiundzwanzigjährigen im Schlepptau?
    Elmar ging ins Schlafzimmer der Eltern und begann seines Vaters Sachen zu durchwühlen. Was ein rechter eitler Fatzke ist, der lässt auch Spuren seiner angeberischen Lebenswege zurück. Ihn bewegt der unbewusste Trieb, vor seiner Frau zu prahlen. Keine halbe Stunde später fand Elmar ein Zündholzheftchen in der Reverstasche eines der vielen sozowskischen Blazer. La Musique. Eine Bar in der Maasstraat von Amsterdam.
    Zwei Stunden später hielt ein unauffälliger dunkelblauer Audi in dieser Straße. Die Mietwagenzentrale hatte sogar auf die Kaution verzichtet. Der Name Elmar Sozowski stand immer noch für Geld. Bis heute Abend wahr scheinlich, bis sich herumsprach, dass Sozowski bankrott war.
    Es war 16 .00 Uhr. Viel zu früh für eine Bar. Zeit, noch ein passendes mieses Hotel im Fixerviertel zu suchen, das jetzt angeblich wieder sauber sein sollte. Elmar war nicht an dem Stoff interessiert, aus dem die Träume sind. Er wollte Stoff, mit dem er sich neu einkleiden konnte. An fast jeder Straßenecke wurden gebrauchte Klamotten angeboten. Elmar suchte sich etwas Passendes aus. Schließlich ließ er sich noch von einem haarlosen Jüngling auf modern tunen: Gefärbte Strähnen, harte Kanten. Zum Schluss rasierte er sich selbst in dieser Absteige, in der er untergekommen war, dem Rainbow, die Augenbrauen ganz schmal. Der Althippy im Empfang betrachtete Elmar amüsiert, als er gegen 21.00 Uhr völlig verändert das Hotel verließ.
    Die Jagd begann.
    La Musique entpuppte sich als exakt so schlüpfrig und zweideutig, wie Elmar seinen Vater einschätzte. Rote und blaue, sehr spärliche Beleuchtung, ab und zu eine Schwarzlichtröhre, die die Textilien durchdrang und die Unterwäsche sichtbar machte. Auf der Bühne eine müde Travestieshow mit viel Zungenvibrato, Hinternwackeln und trägem Gelächter im Publikum. Alles etwas muffig, ohne dichte Stimmung. Elmars alte Klamotten erschienen in dem schummerigen Licht wie teurer Boutiquenchic. Er brauchte nicht lange zu suchen. Sozowski und seine junge Begleiterin saßen gleich unterhalb der Bühne. Auch Sozowski hatte sich getunt. Die Glatze war weg, der Bauch war weg. Aber seine ölige Lache hatte er nicht verändern können. Er schien sich köstlich zu amüsieren.
    Seine Begleiterin teilte seine laute Freude allerdings nicht. Sigrid Nörwich hatte die coole Maske der früh Gealterten aufgesetzt, die nichts mehr freut, die schon viel zu viel erlebt hat. Elmar wartete. Als Sigrid Nörwich zur Toilette startete (was in der Düsternis etwas von einem Blindflug hatte), schob sich Elmar vorsichtig näher. In der Hand verbarg er eine kleine , selbstklebende Etikette.
    Zehn Minuten später schwebte Sigrid auf ihn zu. Sie erkannte ihn nicht. Er streckte ihr die Hand entgegen, als wollte er sie begrüßen. Unwillkürlich hob auch sie die Hand. Elmar fasste ganz leicht zu und klebte ihr die Etikette von unten in die Handfläche.
    "Eine Nachricht", sagte Elmar. "Nur für Sie."
    Sigrid lächelte cool zurück, erwiderte nichts weiter, sondern glitt an Elmar vorbei, um wieder neben Sozowski Platz zu nehmen. Keine Regung.
    Elmar verließ die Bar. Der Haken war ausgeworfen. In seinen Augen begann ein lila Licht zu glühen.
    Unter ihrer coolen Maske fühlte sich Sigrid von der überraschenden Begegnung durchaus angesprochen. Diese Begegnung traf sie in einer Situation, in der ihr schon eine ganze Menge Zweifel darüber gekommen waren, ob dieser Trip mit

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