Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
eines Jungen ihre Coolness völlig verloren hatte. Sozowski erkannte sie kaum wieder. Dieses Zittern, diese Hingabe. Die Wut über die Kränkung begann sein Gehirn wie mit Säure zu verätzen. Seine Gedanken drohten zu verschwimmen. Er konnte den Punkt nicht mehr festhalten. Der Punkt war doch, dass...
Sie schienen von einander abzulassen. Sozowski begann zu kichern und zu weinen und zu kichern. Und dann kam dieser Punker auf ihn zu. Wie durch Nebelschwaden sah Sozowski ihn auf sich zukommen. Zu Wut und Kränkung trat jetzt noch eine weitere Mutter der Schmerzen, die Angst. Sie trieb ihm einen giftigen, bitteren Geschmack in den Mund. Dieser Punker... Die Gestalt verdunkelte den Raum. Sozowski wollte schreien. Aber der Knebel erstickte die Laute zum dumpfen Stöhnen.
Das war doch Elmar!? Elmar lachte seinen Vater an. Es war kein sehr schönes Lachen. Der Klang seiner Stimme brach sich an den kalten Fliesen:
"Du hast mich verkauft. Um dich zu retten, hast du mich verkauft."
Und wieder dieses Lachen. Er drehte das Wasser über der Wanne an. Hilflos, wie er war, begann Sozowski in seinem emaillierten Gefängnis hin und her zu rutschen.
Zwei Stunden danach, am späten Nachmittag, fuhren Sigrid und Elmar in Düsseldorf ein. Sie trafen Mutter Sozowski in einem unbeschreiblichen Zustand an.
"Du glaubst ja nicht", nuschelte sie sehr undeutlich ihrem Sohn entgegen, "du glaubst ja nicht, was hier alles passiert ist."
Elmar brachte sie zu Bett.
Zur gleichen Zeit nahmen niederländische Kriminalbeamte Albert Sozowski in Amsterdam fest. Er lag gefesselt in einer Badewanne, der Wasserhahn war angestellt, das Badezimmer troff vor Nässe. Er war halb ertrunken. Die Erklärungen, die Sozowski abgab, waren derartig, dass man ihn zunächst in die psychiatrische Abteilung des Jan Wellem Hospitals einwies, bis er für die Überstellung an die deutschen Justizbehörden wiederhergestellt war. Falls das überhaupt möglich war. Auch noch Wochen später blieb Albert Sozowski bei dem einen Thema, egal, was er gefragt wurde, er antwortete: "Ich habe meinen Sohn verkauft. Ich sage Ihnen, der größte Deal meines Lebens. Für eine Million. Ich habe meinen Sohn verkauft..."
Weder der alte Nörwich, noch die anderen, die bei der Aufbringung des Lösegeldes behilflich waren, sahen ihr Geld, die kleinen Scheine, nicht in Serie, jemals wieder. Das Geld blieb verschwunden.
Aber Sigrid, Nörwichs Tochter zeigte sich angenehm verändert. Als sie aus Zürich wiederkam, wohin sie mit einer Freundin, wie sie sagte, ganz spontan einen Ausflug gemacht hatte, legte sie ein konstantes Interesse für den geretteten Elmar Sozowski an den Tag. Immerhin. Konstantes Verhalten war noch nie ihre Stärke gewesen. Der alte Nörwich mochte Elmar, obwohl ihm der Name Sozowski in der Erinnerung an den unsäglichen Vater (und das verlorene Geld) immer noch Schweißausbrüche verursachte. Er mochte Elmar, wenn ihn auch ab und zu dessen Blick irritierte. Aber das konnte auch am Licht liegen, dass seine Augen manchmal in einem intensiven Lila erschienen. Jedenfalls hatte ihn Elmar noch nie um Geld gebeten. Offenbar hatte er sogar ungenannte Geldgeber für die vom Pleitegeier bedrohte Firma seines Vaters gefunden. Und somit stand zur Aussicht, dass die Kette von Nörwichs Firmen demnächst noch ein weiteres hübsches Juwel schmücken würde. Elmar war also ein Mann, der etwas mitbrachte. Und das war einmal etwas ganz Neues bei einem Freund seiner Tochter.
Zeit der Stärke
Eigentlich besaß Sherba gar kein Geld, um sich etwas zu kaufen. Obwohl es Montagnachmittag war und viele der kleinen Geschäfte geschlossen wa ren, herrschte in der Innenstadt von Middelburg ein eifriges Gedränge. Alle Welt schien trotz dieser drückenden Sommerhitze unterwegs zu sein, um in der gemütlichen niederländischen Stadt ihr Geld auszugeben, außer Sherba.
Sherba schlich mehr, als dass er ging. Ihn umgab die deutliche Aura des Verlierers. Tatsächlich war er vor den ausgesprochen gewalttätigen Angestellten eines rigorosen Inkassobüros auf der Flucht. Es war die alte, langweilige Geschichte. Er hatte sich in einem unsoliden Kreditinstitut Geld geliehen und war nicht in der Lage gewesen, es zurückzuzahlen.
Sherba war erst einunddreißig Jahre alt. Aber finanziell gesehen war sein Leben schon jetzt zu Ende. Nur mit Mühe war er seinen Verfolgern in Duisburg entkommen. Er glaubte, sie jetzt in diesem Getümmel von deutschen Urlaubern in den Niederlanden endgültig abgehängt zu
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