Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
mir einer von denen zu sein, die zuviel brauchen, um attraktiv zu sein. Autos, Geld, Bars. Wie bist du an ihn gekommen?"
Sigrid warf übermütig den Kopf zurück: "Zum Glücklichsein gehört unbe dingt ein schlechtes Gedächtnis. Also lassen wir die Vergangenheit. Fragen wir lieber: Was hast du vor?"
Elmar sah sie voll an: "Fragen wir lieber, was hast du vor? Was willst du jetzt?"
Der Ton seiner Stimme hatte sich plötzlich verändert. Die Leichtigkeit des Seins, die eben noch in ihr mitschwang, war wie weggewischt.
Sigrid war ein bisschen wütend auf sich selber, weil sie diese schnelle Wandlung erschreckte. Sie konnte seinem Blick nicht mehr standhalten, weil sich die Farbe seiner Augen zu wandeln schien und damit ihr ganzer Ausdruck. Was eben noch ein sanftes Blau gewesen war, wurde nun zum stechenden Lila. Etwas Unwirkliches hielt Einzug auf diesem großen Platz, mitten unter all diesen Menschen. Und diese Frage: Was will ich?
Bisher war Sigrid immer h in und her geschwankt zwischen sich treiben lassen und einem ganz verkrampften, geradezu süchtigen Wollen von flüchtigem Genuss. Aber es war nie etwas dabei zustande gekommen, was dauerhaft trug.
Das Lila in Elmars Augen und diese gleichzeitige Frage...
Sigrids coole Maske bröckelte. "Ich habe eigentlich nie etwas vor", brachte sie mit leiser Stimme hervor.
Amsterdam hätte sich angeboten, auf einen Trip voll Shit, Kokain und Sex zu gehen. Damit sie wenigstens etwas zu erzählen gehabt hätte. Plötzlich kamen ihr die Tränen in die Augen. Sie spürte die Hohlheit ihres Lebens nur zu deutlich. Elmar fasste sie am Ellbogen. Sigrid erschien der ganze überfüllte Platz immer mehr in Dämmerung getaucht. Die Geräusche verschwanden, als würden sie abgesaugt. Die Bewegungen der Menschen um sie verlangsamten sich soweit, bis sie fast zum Stillstand kamen. Sie fühlte sich wie in Watte gepackt. Ihre Glieder verloren jeden Zusammenhalt, glitten weich und schmerzlos auseinander. Auflösung. Sie glitt wie ein Tropfen in einen Fluss , und seine Fluten strömten über endlose Straßen, die von schwankenden Häuserreihen umsäumt waren, dem Meer zu. Das Meer begann sich immer weiter auszudehnen. Sein grünweißes Wasser reichte bis zum Himmel. In seinen schwärzesten Tiefen erreichte es den Erdmittelpunkt. Milliarden Luftbläschen durchschäumten das Wasser und sammelten sich in der Mitte zwischen Himmel und Erde. Ein gewölbter Luftraum entstand, gerahmt von Wänden aus reinstem Wasser. Diese Wände waren nicht lichtdurchlässig, sie schienen die Sonnenstrahlen geradezu einzufangen. Sigrid spürte Wärme auf ihrer Haut, die nicht nur einfach warm war, sondern von einer bisher unbekannten Intensität. Und dann spürte sie Elmar. Sie spürte ihn auf ihrer Haut und in sich. Sie spürte Härte und Zärtlichkeit und glitt dahin. Dann wiederum sammelte sie Energie, sich gegen Elmar zu stemmen, nicht nur einfach wegzugleiten und sich zu verlieren. Dieses Spiel, zu widerstehen und sich zu ergeben, erschien ihr endlos, ein endloses Lieblingsspiel. Schließlich verlor sie ihre Kraft. Sigrid versank in ein Gefühl des Schwebens. Sie schlief, träumte, ihr Bewusstsein versickerte.
Sozowski schäumte vor Wut. Nicht nur, dass der Abend mit Sigrid so beschissen ausgegangen war. Nicht nur, dass ihn irgendjemand im Bett überfallen, ihn gefesselt und mit diesem ekelhaften Isolierbad geknebelt hatte. Nicht nur, dass ihn irgend jemand mitten in der Nacht sehr unsanft, aber auch sehr kraftvoll in den Kofferraum eines Wagens geworfen und ihn in dieses muffige Hotelzimmer verfrachtet hatte. Was ihn vollends verrückt machte, war die Tatsache, dass er, Sozowski, der Cleverste aller Cleveren, völlig hilflos, immer noch gefesselt und geknebelt, nackt in einer Badewanne lag und mit ansehen musste, wie sich Sigrid, eben jene, die ihn letzten Abend so cool hatte abblitzen lassen, sich mit einem jungen Mann auf der Couch des Wohnzimmers nebenan endlos lang und unglaublich intensiv vergnügte. Es war nicht mit anzusehen und doch konnte Sozowski keinen Augenblick wegsehen. Alberts Sozowskis Ego begann zu zerbrechen, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer die Schutzmauern seines zweifelhaften Charakters zerlegen. Es war ja auch nicht zu fassen, für ihn, den Zielbewussten, dass sich die Frau, die er für sich allein zum Vergnügen bestimmt hatte, die vielleicht sogar einmal die Nachfolge für seine abgetakelte, alkoholisierte Ehefrau hätte antreten können, dass diese Sigrid in den Armen
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