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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Person. Papa. Er sah so ergriffen aus, dass ich sofort meine Mutter vor Augen hatte. Ich kämpfte gegen meine Gefühle, versuchte die Tränen zu unterdrücken. Keine Chance!
    „ Entschuldige, ich hätte es nicht anziehen sollen“, flüsterte ich, als ich bei ihm war.
    „ Da bin ich anderer Meinung, du bist wunderschön. Für wen, glaubst du, habe ich dieses Kleid aufbewahrt, wenn nicht für ihre Töchter?“
    Er umfasste meinen Kopf mit seinen Händen, küsste mich auf die Stirn und verwischte die Nässe auf meinen Wangen mit den Daumen. Seine Finger glitten zur Kette, er streifte dabei meine Haut. Plötzlich drehte er sich abrupt um und verschwand. Ich schloss meine Lider und wieder stand sie vor mir, sie, die er gerade berührt hatte.
    Anna holte mich mit ihrer Umarmung und einem „Feliz cumpleaños!“ in die Realität zurück. Ihre Augen glänzten ebenfalls. Miguel überreicht mir ihr Geschenk und gratulierte mir dabei. Ich wollte gerade die Verpackung zerreißen, als Anna ihre Hand auf meine legte. „Mach es später auf, wenn du dich wieder gefangen hast.“
    Manuels Geschenk versetzte mich in Erstaunen. Erstens, weil er mir seine erste Skulptur schenkte, zweitens, weil es sich um einen Falken mit ausgebreiteten Flügeln handelte. Seine Proportionen und seine Anmut erinnerten mehr an einen Ger- oder Sakerfalken als an einen Turmfalken.
    „ Ich wollte zuerst einen Wolf oder eine Löwin machen, fand es dann aber doch zu schwer. Was soll’s!“
    „ Natürlich“, sagte ich nicht ganz überzeugt, als ich ihn mit feuchten Augen an mich drückte.
    „ Hätte ich gewusst, dass ein Vogel dich so mitnimmt, hätte ich doch etwas anderes geschnitzt.“
    „ Er ist wunderschön, ich bin echt verblüfft. Es haut mich einfach um. Achte bitte nicht auf meine Tränen, ich bin heute besonders empfindlich.“
    Manuel versprach, mir noch einen Sockel zu machen. Ihm war die Zeit davongelaufen, er hatte praktisch den ganzen Tag daran gearbeitet und war doch nicht fertig geworden.
    „ Ohne einen triftigen Grund hätte ich dich heute Nachmittag doch nicht im Stich gelassen“, fügte er hinzu.
    Ich bedankte mich noch einmal mit einem dicken Kuss auf die Wange.
    Die nächste Überraschung kam von Aurelie, die mir nicht weniger als ihre Freundschaft durch ein wunderschönes geflochtenes Band anbot. Ich versprach, es zu tragen, bis es abfiel.
    Laurence und Philippe wiederholten ihre Einladung. Selbst Damien kam zu mir, um mich zu beglückwünschen. Aus Höflichkeit vermutlich, schließlich hatte er sich bei seiner Ankunft auf einen
„Guten Tag“
beschränkt. Ich fühlte mich wieder unbehaglich, als er mich anschaute. Yannick hatte aber Recht, ich konnte ebenfalls Neugier in seinen Augen entdecken und eine Spur … Verwunderung? Kein Wunder, nach der Vorstellung, die ich mit meinem Vater abgeliefert hatte. Seine Hand brannte auf meiner Schulter, als er meine Wange küsste. So viel zu seiner Abwehr … und meiner. Als ob das nicht genug wäre, spürte ich ein Stechen in meiner Brust.
    „ Entschuldige, wenn ich mit leeren Händen gekommen bin. Ich kannte dich nicht und hatte keine Ahnung, was ich dir schenken soll. Ich schließe mich aber Laurence und meinem Vater an. Du würdest mir wirklich eine große Freude machen, wenn du nach Brasilien kämst … und ich könnte das mit dem Geschenk nachholen.“
    „ Danke, ist aber nicht nötig“, stammelte ich.
    Seine Worte brachten mich noch mehr aus der Fassung. Als ob seine Augen und seine Berührung es nicht zur Genüge getan hätten.
    Ein Blick in die Runde verriet mir, dass meine Großmutter nicht mehr da war. Vermutlich war sie meinem Vater gefolgt. Ich hatte ohnehin genug Rührseligkeit für den Tag gehabt und bat die anwesenden Gäste, mich zu entschuldigen. Yannick machte sofort einen Schritt in meine Richtung. Ich streckte ihm die Hand entgegen und wir gingen mit den Geschenken nach oben, wo er mich von den Präsenten befreite, um mich in seine Arme zu nehmen.
    „ Es ist doch nicht die 18, die dich und deinen Vater so aufgewühlt hat, oder?“
    Kopfschüttelnd löste ich mich aus seiner Umarmung und versuchte das Kleid aufzumachen.
    „ Kannst du mir bitte helfen?“, fragte ich, während ich ihm den Rücken zudrehte.
    „ Schau mich mal an! Kannst du mir bitte verraten, was du gerade machst?“
    „ Ich will ein anderes Kleid anziehen.“
    „ Wieso? Du siehst umwerfend aus.“
    „ Eben.“
    „ Erklär’s mir, bitte. Ich verstehe’s nicht.“
    „ Ich glaube, es ist

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