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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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das Kleid, das meine Mutter anhatte, als er sie zum ersten Mal sah. Ihr Kleid, ihr Topas. Verstehst du jetzt? Ich hätte es nicht anziehen dürfen.“
    „ Oh, Lilly … Komm!“ Er drückte mich an sich. „Es tut mir Leid. Was hat er gesagt?“
    „ Dass ich wunderschön bin … dass er es für uns – für Marie und mich – behalten hat.“
    „ Dann darfst du es nicht ausziehen. Wenn du das tust, wird ihn das noch mehr verwirren. Es ist ihm bestimmt nahegegangen, weil er nicht damit gerechnet hat. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass er glücklich ist, dass du es trägst.“
    „ Glaubst du?“
    „ Ja, das glaube ich wirklich.“ Er machte den Reißverschluss wieder ganz zu. „Sollte ich mich täuschen, kannst du dich später immer noch umziehen.“
    „ Ich gehe schnell ins Bad, mich frischmachen.“
    „ Stopp! Willst du nicht erstmal nachsehen, was Anna und Miguel dir geschenkt haben?“
    „ Du hast Recht. Nur für den Fall, dass ich wieder heulen muss“, sagte ich in heiterem Ton.
    Wahrscheinlich um mich zu ermuntern, denn ich rechnete gleich wieder mit einem Anfall. Dieser blieb jedoch aus. Nichtsdestotrotz dankte ich Anna, dass sie mich davon abgehalten hatte, das Geschenk vor all den Gästen auszupacken, solange das Bild von meiner Mutter noch so präsent war. Es war eine wunderschöne Lithographie, die einen schwarzen Panther darstellte.
    „ Du musst mich für eine echte Heulsuse halten. Ich schäme mich so.“
    „ Quatsch! Ich halte dich für ein sensibles Mädchen, das seine Mutter vermisst. Und ich weiß nicht, inwiefern das beschämend sein sollte. Ganz im Gegenteil. Geh dich jetzt frischmachen. Deine Gäste werden sich noch fragen, wo du bleibst.“
    Als ich das Badezimmer verließ, griff Yannick nach meiner Hand und zog mich an sich: „Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir zu sagen, wie hübsch du bist. Mehr als das. Dein Vater hat Recht, du bist wunderschön.“
    „ Ja klar, mit meinen roten Augen bin ich bestimmt unwiderstehlich.“
    „ Halt den Mund!“
    Sein Kuss sorgte dafür, dass ich das auch tat. Yannick hielt mich eine Zeitlang in seinen Armen. Ich fühlte mich so wohl und geborgen, ich hätte mich am liebsten mit ihm in mein Bett verkrochen, einfach nur zum Kuscheln, ohne jegliche Hintergedanken.
     

    „ Na, endlich! Da bist du ja! Wir haben dich schon vermisst, wir wollten nämlich auf dich trinken“, meinte mein Vater, als wir die Terrasse überquerten.
    Allem Anschein nach hatte er sich wieder gefangen. Philippe reichte uns ein Glas Champagner.
    „ Eigentlich wollte ich einen Toast aussprechen“, fuhr mein Vater fort, „ich fürchte, ich habe ihn vergessen. Es wird uns aber nicht daran hindern, auf dich zu trinken, mein Spatz.“
    Er erhob ein Glas Whisky, das er mit einem Zug runterkippte. Ich hatte das Gefühl, es war nicht sein erstes. Da sich sein Alkoholkonsum in der Regel auf ein Glas Bier oder Wein beschränkte, hielt ich ihn für nicht allzu trinkfest. Ihn so zu sehen, machte mir Sorgen, denn der Abend hatte erst begonnen. Meine Großmutter schien die gleiche Befürchtung zu hegen. Kaum war sein Glas leer, stand sie mit der Wasserflasche da, um es mit Wasser nachzufüllen. Trotz der frühen Stunde eröffnete sie das Büffet, vermutlich, damit Papa etwas Festes zu sich nahm, ehe er wieder Alkohol trank. Mir wurde bewusst, dass ich meinen Vater noch nie betrunken gesehen hatte.
    Ehe ich mich zum Büffet begab, bedankte ich mich bei Anna und Miguel für das Bild. Anna hatte vorgehabt, mir eine neue Goldkette zu kaufen, mein Vater war ihr aber zuvorgekommen. Als sie zufällig den Panther sah, musste sie einfach zugreifen.
    „ Gut so! Ich finde ihn wunderschön.“
    „ Lilly, du hast Besuch“, rief Marie.
    „ Melanie?“ fragte ich – sie hatte sich schließlich mehr oder weniger angekündigt.
    „ Sí.“
    „ Und wieso bittest du sie nicht rein?“
    „ Habe ich doch. Soll ich sie mit Gewalt reinzerren?“
    Ich entschuldigte mich bei Anna und Miguel und lief zur Haustür.
    Melanie stand verlegen da, wie abgestellt und nicht abgeholt. Sie gratulierte mir zum Geburtstag und überreichte mir ein Geschenk: eine süße weiße Bluse. Sie wollte partout nicht reinkommen, weil Antoine ein paar Meter weiter weg am Straßenrand auf sie wartete. Sollte er dort schmoren, wenn er zu feige war, um bis zu meiner Haustür zu kommen.
    „ Keine Diskussion! Wenn du mit mir anstoßen willst, ist es jetzt oder nie. Es wird im September keine große Party mehr geben.“
    Ich

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