Im Namen der Engel
setzte sich neben ihre Schwester. »Hör mal. Warum reden wir nicht mit ihnen darüber, dass es besser wäre, dich auf eine richtige Schauspielschule zu schicken? Vielleicht irgendwo in New York?«
»Ich soll aber was studieren, das mir einen richtigen Job verschafft. Einen Job wie deinen.«
Die Bitterkeit in Antonias Stimme schockierte Bree. »Ich glaube nicht, dass sie wollen, dass du Anwältin wirst.«
»Dafür bin ich eh nicht intelligent genug.«
Bree riss sich zusammen, um nicht aus der Haut zu fahren. »Um Anwältin zu werden, muss man nicht besonders intelligent sein. Man muss nur fleißig studieren.«
Antonia zog die Knie bis zum Kinn an und schlang die Arme um die Beine. »Hast du dir schon mal die Frage gestellt, ob wir wirklich Schwestern sind?«
»Wie?«
»Das meine ich ganz ernst. Wir sehen uns überhaupt nicht ähnlich. Wir denken ganz anders. Du warst schon immer ein heller Kopf, und ich war immer eher ein … unterbelichteter Kasper. Ich glaube«, fügte sie traurig hinzu, »ich bin adoptiert worden.«
Bree musste sich auf die Lippe beißen, um nicht loszulachen. »Unsinn. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Mama mit dir schwanger war, und ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich, als sie mit dir aus dem Krankenhaus nach Hause kam, all meine Barbie-Puppen weggeworfen habe, weil ich dachte, jetzt hätte ich eine tolle neue Puppe zum Spielen.«
»Dann bist du vielleicht adoptiert worden. Ist dir das schon mal in den Sinn gekommen?«
Bree starrte sie an.
Antonia wurde blass und sprang auf. »Hey!«, sagte sie. »Hey! Ich hab doch nur Spaß gemacht. Bist du okay?«
»Ja«, presste Bree hervor. »Mir geht’s bestens.« Sie erhob sich wie in Trance und nahm ihr Regenzeug an sich. »Du kannst Sascha heute also nicht mitnehmen?«
»Doch, klar. Wenn du das möchtest.«
Als wolle er demonstrieren, wie gut sein Bein verheilt sei, sprang Sascha auf und wedelte wie wild mit dem Schwanz. Sein Blick drückte deutlich aus: Ich will aber mit dir mitkommen. Seine Begeisterung und sein breites Hundegrinsen hoben Brees Stimmung sofort wieder.
»Zumindest du scheinst also gern mit mir zusammen zu sein und mich für normal zu halten«, sagte Bree zu ihm. »Aber du bleibst im Wagen, während ich mir das
Boot ansehe. Ich will nicht, dass du wie Mr. Skinner über Bord fällst.«
Bei gutem Wetter brauchte man mit dem Auto vierzig Minuten nach Tybee Island. Die regennassen Straßen verlangsamten den Verkehr. Bree fluchte über die Sonntagsfahrer, die der Ansicht zu sein schienen, der beste Schutz davor, von der Straße abzukommen, bestehe darin, mit den linken Reifen auf der linken Spur und mit den rechten auf der rechten zu fahren. Es dauerte über eine Stunde, bis sie endlich auf den Highway 80 und von dort auf die Küstenstraße gelangte, die zur Marina führte. Der Regen hatte inzwischen aufgehört. Ein steifer Wind wehte. Aufgrund des Wetters waren die meisten kleineren Motorboote und fast alle Segelboote im Hafen geblieben. Der Parkplatz des Clubhauses war voll. Bree sah Graingers und Jennifers himmelblauen Mercedes unter all den Acuras, Jaguars und BMWs stehen. Die Piers waren menschenleer. Jeder Bootsbesitzer schien im Clubhaus zu sitzen und Bloody Marys oder Mimosas zu trinken.
Etwa fünfhundert Meter jenseits der Marina ragte Island Dream auf. Vom Penthouse flatterten rote, weiße und blaue Fähnchen, die von den Windböen losgerissen worden waren. Über die Balkons im dritten Stock war ein riesiges Spruchband mit der Aufschrift ZU VERMIETEN gespannt. Bree überlegte, wie der Bau, den Fairchild hatte abreißen lassen, wohl ausgesehen haben mochte. Höchstwahrscheinlich hatte er aus Naturstein oder vielleicht auch aus roten Ziegeln bestanden.
Sie parkte auf dem Platz, der für den Regattaleiter reserviert war, da sie annahm, dass die übliche Sonntagsregatta bei Windstärke zwei und starkem Seegang wohl ausfiele. Nachdem sie sich in ihren Regenmantel gehüllt hatte, kurbelte sie die Wagenfenster herunter, damit Sascha frische Luft bekam, und stieg aus. Die Flaggleinen knatterten im Wind. Sie zog sich die Kapuze über den Kopf und machte sich auf den Weg, um nach Slip 42 zu suchen, dem Liegeplatz der Sea Mew .
Am Ende des Piers, weit entfernt vom Clubhaus, wurde sie fündig. Sam Hunter stand am Steuer des Bootes.
Sie blieb kurz stehen und spähte zu ihm hoch. Er trug eine offene Windjacke und hatte eine Mütze mit der Aufschrift NYPD auf dem Kopf. Nachdem er sie eine ganze Weile
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