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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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voller Angestellter und Studenten, die sich in ihrer Mittagspause an einem Sonnenstrahl erfreuten.
    Doni blieb stehen, als wartete er darauf, dass sie sich verabschiedete, und sah so aus, als müsse er garantiert in die andere Richtung aufbrechen. Die Journalistin verstand, drückte ihm die Hand und bedankte sich für das Gespräch.
    «Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer», sagte sie schließlich. Sie zog ihre Brieftasche hervor und entnahm ihr eine rote, quadratische Visitenkarte. So eine hatte Doni noch nie gesehen. «Hier. Wenn Sie nur noch einmal darüber nachdenken.»
    Doni drehte das Quadrat zwischen den Fingern. Dort stand lediglich: Elena Vicenzi – freie Journalistin . Kurz darunter E-Mail-Adresse und Telefonnummer.
    «Einverstanden», seufzte er.
    «Gut», sagte sie. «Ich gehe jetzt. Sie waren wirklich sehr freundlich.»
    «Keine Ursache.»
    «Kann ich darauf hoffen, dass Sie mich anrufen?»
    Doni zuckte mit den Schultern und lächelte. Sie lächelte zurück, dann machte sie sich zu Fuß auf den Weg in Richtung Universität.
    Nach wenigen Minuten war sie im Strom auf der Via Larga nur noch eine Gestalt unter vielen.
    Den restlichen Nachmittag verbrachte Doni mit gewissenhafter Arbeit und versuchte, die Worte der jungen Frau zu vergessen. Erst gegen sechs Uhr stand er auf, um sich am Automaten einen Kaffee zu holen. Auf dem Flur herrschte ein unangenehmer Geruch. Ein verzweifelter Kollege bat ihn, ihm seinen Toilettenschlüssel zu leihen, doch Doni hatte ihn nicht bei sich. Im Justizpalast gab es nur sehr wenige Toiletten (man hatte sie abgeschafft, um Büros daraus zu machen), und alle waren abgeschlossen. Über einen anständigen Waschraum zu verfügen – so wie Doni – wurde als ein Riesenglück und als ein klares Zeichen von Macht angesehen.
    Als er das Gebäude verließ, war der Abend schon weit fortgeschritten, der Himmel hatte sich urplötzlich zugezogen. Nach einem Drittel seines Weges durch die Via Pace zerrte der Wind heftiger an den Ästen der Bäume. Noch ein paar Schritte, und die ersten Tropfen fielen. Zwei Passanten auf der anderen Straßenseite liefen in der Gegenrichtung an ihm vorbei.
    Doni sog die frische Luft ein, und seine Nackenhaare stellten sich auf – eine animalische Reaktion, die er nicht gewohnt war.
    Ein von niemandem vorhergesehenes Gewitter zog auf. Mailands Herz brach auf wie eine faulige Frucht.
    Doni blieb stehen und wartete auf das Wasser auf seinem Kopf.

7
    AM DARAUFFOLGENDEN SAMSTAG , nach einer weiteren Regennacht, erreichte der Frühling in der Stadt seinen Höhepunkt. Doni hatte beim Aufwachen an die Journalistin gedacht, doch ein Frühstück mit einem Quartett von Schubert genügte, um jeden Gedanken auszulöschen.
    Claudia war früh aufgestanden und schon aus dem Haus, und die Putzfrau würde nicht vor Mittag kommen. Doni hatte zwei Stunden allein zu Hause und war fest entschlossen, jeden einzelnen Augenblick davon zu genießen.
    Er machte sich einen zweiten Kaffee und bemerkte, dass er den Frühling erst jetzt wahrnahm. Der Lichtstrahl nach dem Mittagessen mit Salvatori vor einigen Tagen hatte die wunderbare Erscheinung bereits angekündigt, die nun ihre Vollendung fand. Das war keine Frage des Datums, sondern ein ganzes Spektrum von Empfindungen: Er im Hemd und in Pantoffeln auf dem Balkon, der Wind und die Sonne auf der Haut, die Musik in den Zimmern und im Flur, dazu das Menschengewimmel auf der Straße – auf in Richtung Dom und ab in Richtung Corso.
    Nach Schubert war Mozart an der Reihe, drei Sonaten für Klavier und Violine. Doni zappte vor bis zum KV 379 . Er nahm seine Tasse und setzte sich in den Sessel.
    Klassische Musik war die einzige Kunst, in der er zumindest ein wenig bewandert war, und die einzige, der er sich mit Ausdauer widmete. Doch anders als bei einigen sporadischen Erlebnissen mit Literatur und Malerei ergriff ihn das, was er hörte, nicht.
    Der Unterschied war der: Wenn er zum fünfzehnten Mal Jack Londons Wolfsblut las, war er so gerührt wie beim ersten Mal. Das Gleiche galt für die Bilder von La Tour. Er verstand nichts davon, und vielleicht liebte er sie aus einem absurden Grund – wegen der Kerzen –, doch er liebte sie.
    Bei Schumann oder Mahler dagegen hätte er viele Melodien mühelos mitträllern können, hätte die Einflüsse aufzeigen und darauf hinweisen können, wie sich hier, bei einem bestimmten Takt, die Modulation auf den Fortgang der Sinfonie auswirkte. Doch das war eigentlich auch schon alles.
    Nicht dass es ein

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