Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
an.
«Ja. Er war mit mir zusammen. Holt ihn da raus, aber zieht mich nicht mit hinein, bitte nicht.»
25
DONI MACHTE SICH auf den Weg zurück ins Büro und bat Elena, im Bagatella auf ihn zu warten. Er gab ihr die Adresse und empfahl ihr, Renato, dem Barmann, zu sagen, dass sie eine Bekannte von ihm sei.
Im Justizpalast schaute Doni noch kurz in der Kanzlei des Berufungsgerichts vorbei, um sich eine Akte zu holen. Er konnte die Kanzlei nicht ausstehen, doch die Unordnung in diesen Räumen beruhigte ihn ein wenig. Überall waren Aktenbündel mit der stillschweigenden Übereinkunft verstreut, sich jeweils nicht darum zu scheren. Es war ein Albtraum fortwährender Katalogisierung, ein Reich ewiger Veränderung und Überlagerung. Für jedes Jahr eine andere Farbe und dazu das sehr konkrete Gefühl, dass das Chaos umso größer wurde, je weiter man voranschritt und den Dingen auf den Grund ging.
Daher beschloss er, die Akte in seinem Büro durchzusehen, doch es gelang ihm nicht, sich zu konzentrieren. Er öffnete die Testament -Datei, las sich den Passus über die Gerechtigkeit noch einmal durch und ging dann in die Bar des Justizpalastes. Dort war niemand, den er kannte. Er holte sich einen Kaffee und aus dem Automaten einen Schokoriegel, den er auf der Treppe auswickelte. Er ging bis in den Keller hinunter. Haufenweise kaputte PC s. Fotokopierer, von denen man nicht wusste, wie man sie entsorgen sollte. Kalkfleckige Gänge, die an Metalltüren endeten. Feuchtigkeitsflecke.
In der Mitte eines leeren Raumes blieb er neben verchromten Rohren stehen. Er sprach Vorname und Nachname laut vor sich hin, und erst, als er das Echo hörte, bemerkte er, wohin er ohne jede Absicht geraten war.
Ein unter einem ständigen Durcheinander angehäuftes Durcheinander. Der wimmelnde Justizpalast, der ewig einsturzgefährdet war, aber doch nie einstürzte.
Als er ins Bagatella kam, saß Elena in einer Ecke und las den Corriere della Sera , ein Notizbuch neben sich und einen Stift zwischen den Fingern. Die Bar war gut besucht, Renato steuerte auf Doni zu.
«Ihre Verwandte ist schon da», sagte er.
«Danke», sagte Doni. «Wir sind aber nicht verwandt.»
«Ach so, na dann.»
Doni fiel ein, dass Renatos Sohn Krebs hatte.
«Wie geht es Ihrem Sohn?»
«Schlechter. Kaum noch Hoffnung.»
«Das tut mir sehr leid.»
«So ist das eben.»
Sie schwiegen einen Moment, dann setzte sich Doni zu Elena an den Tisch. Sie faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Stuhl neben sich.
«Also», sagte sie.
«Also.»
«Was machen wir jetzt?»
Doni atmete tief durch.
«Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll.»
«Aber Sie haben doch gehört, was Mohamed erzählt hat. Es liegt auf der Hand, dass Khaled unschuldig ist. Ich rufe jetzt Yasmina an und frage, ob sie das Geld bekommen hat.»
«Das beweist noch gar nichts.»
«Aber natürlich tut es das! Machen Sie Witze?»
Doni presste seine Hände auf den Tisch, wie um seine letzten Kräfte an einem festen Punkt zu sammeln, sie zu orten, zu verdichten und real werden zu lassen.
«Elena, zum letzten Mal. Wir befinden hier nicht darüber, wer wen in einer Straßenschlägerei verprügelt hat, und weder Khaled noch Mohamed sind mir besonders ans Herz gewachsen. Meine Situation ist viel komplizierter.» Er erinnerte sich an alles, was ihn bis dorthin gebracht hatte, und er spürte Besorgnis und dann Angst, etwas, das er bisher so deutlich noch nicht empfunden hatte, ein Gefühl außer Kontrolle, als wäre das letzte Wort schon gesprochen und als wäre er geliefert, dazu verurteilt, sich zu entscheiden, während er noch jede Entscheidung hätte umgehen können. Er versuchte sich zu beherrschen und verbarg seine Hände unter dem Tisch.
«Meine Situation ist sehr kompliziert», wiederholte er. «Ich bin im öffentlichen Dienst und muss mich an die Vorschriften halten, auch wenn dir dieses Wort nicht gefällt und ich dir schon ansehe, was du antworten möchtest. Aber ich habe darüber zu befinden, ob und wie es weitergeht. Wir können noch so viele Details in der Hand haben, und es ist trotzdem nicht gesagt, dass wir uns für den richtigen Weg entscheiden. Ausnahmen immer, Fehler nie.»
Elena schaute die fleckige Kaffeetasse an, die vor ihr stand. Doni sah, dass die Lippen der jungen Frau bebten, und für einen Moment glaubte er, sie würde sofort losschreien.
Stattdessen sagte sie: «Ich habe Ihren Artikel über Borsellino gelesen.»
«Wie bitte?»
Schweigen. Die Luft flimmerte.
«Ich
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