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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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meinte Cadfael, bevor er sich von Cai trennte. »Und jetzt bringen wir euch auch noch welche mit.«
    »Gott wird einen Ausweg finden«, entgegnete Cai philosophisch und verschwand in der Dunkelheit. Cadfael ging den Weg durch den Wald zurück und überlegte unbehaglich, daß Gott in seinem Wirken manchmal auch menschliche Unterstützung brauchte. Doch statt dessen wurde er von den Menschen eher behindert.
    Am nächsten Tag kamen alle freien Männer von Gwytherin zu der Versammlung. Vorher waren die Frauen und die Leibeigenen zur Messe gegangen. Vater Huw flüsterte Cadfael die Namen der wichtigsten Persönlichkeiten zu, als sie den Weg zur Kirche heraufstiegen.
    »Das ist Rhisiart mit seiner Tochter, seinem Verwalter und der Zofe des Mädchens.«
    Rhisiart war ein großer starker Mann von etwa fünfzig Jahren mit einem runden, freundlichen Gesicht, dunklem Haar und einem kurzen grauen Bart. Seine markanten Züge konnten in raschem Wechsel fröhlich oder cholerisch, wütend oder jovial wirken - und sie waren so ausdrucksvoll, daß es ihm niemals gelungen wäre, irgend etwas zu verheimlichen oder hinterhältige Pläne zu verfolgen. Mit langen, ungestümen Schritten eilte er herbei und lächelte strahlend, als er begrüßt wurde. Seine Kleidung unterschied ihn kaum von den anderen Grundbesitzern. Sie war schlicht, wenn auch aus gutem Wollstoff. Seine offenherzige Miene verriet, daß er vorurteilsfrei und bereit war, sich anzuhören, was die fremden Mönche zu sagen hatten. Trotz seiner komplizierten familiären Situation sah er glücklich aus und war sichtlich stolz auf seine schöne Tochter.
    Das Mädchen folgte ihm mit hocherhobenem Kopf und leuchtenden Augen. Diesmal trug sie Schuhe, ihr Haar war zu einer Zopfkrone geflochten und mit einem Leinentuch bedeckt, doch sie war es zweifellos, die am vergangenen Nachmittag auf die Eiche geklettert war - Sioned, die reichste Erbin, die begehrteste junge Frau weit und breit.
    Der Verwalter war ein alter Mann mit schütterem grauen Haar und einem sanften, gutmütigen Gesicht. »Er ist ein angeheirateter Verwandter von Rhisiart«, wisperte Huw, »der ältere Bruder seiner Frau.«
    »Und das andere Mädchen?« Nach dem Namen brauchte Cadfael nicht zu fragen. Den kannte er bereits. Lächelnd, mit Grübchen in den Wangen und züchtigen kleinen Trippelschritten folgte Annest ihrer Freundin in die Kirche. Sonnenstrahlen spiegelten sich in ihrem silberbraunen Haar.
    »Sie ist die Nichte des Schmieds«, erklärte Vater Huw. »Ein braves Mädchen. Sie besucht ihn oft, seit seine Frau gestorben ist, und bäckt für ihn.«
    »Beneds Nichte?« Bruder John spitzte die Ohren, starrte fasziniert auf Annests schmale Taille und das glänzende Haar und hoffte, daß ein Backtag auf dem Programm stand, bevor er Gwytherin und das Haus des Schmiedes verlassen mußte. Ganz bestimmt war es ein Wink des Schicksals, daß er bei Bened wohnte - doch ob ein Engel oder ein Kobold seine Hand im Spiel hatte, mußte sich erst noch zeigen.
    »Senke deinen Blick, Bruder«, ermahnte ihn Jerome. »Es ziemt sich nicht, Frauen anzusehen.«
    »Und wieso weißt du dann überhaupt, daß Frauen hier sind«, erwiderte Bruder John rebellisch, »wenn du so pflichtbewußt weggeschaut hast?«
    Zumindest Bruder Columbanus nahm die Haltung ein, die in Gegenwart von Frauen vorgeschrieben war - mit gefalteten Händen und gesenkten Lidern, den Blick auf das Gras zu seinen Füßen gerichtet.
    »Und da kommt Cadwallon«, verkündete Huw, »mit seiner Frau und seinem Sohn.«
    Dieser junge Mann, der seinen Eltern mit dem federnden Gang eines Rehbock-Jährlings folgte, war also dazu ausersehen, Sioned heimzuführen - der Bursche, den sie mochte und ihr Leben lang kannte, aber nicht heiraten wollte. In diesem Augenblick kam es Cadfael zu Bewußtsein, daß er noch gar nicht gefragt hatte, was eigentlich der Bräutigam von der ganzen Sache hielt. Aber ein Blick in das Gesicht Peredurs, der bei Sioneds Anblick abwechselnd rot und blaß wurde, genügte ihm, um Bescheid zu wissen.
    Die Eltern sahen eher unscheinbar aus - wohlhabende Leute, rundlich geworden vom guten Leben und offenbar überzeugt, daß die kommenden Jahre ebenso störungsfrei verlaufen werden wie die vergangenen. Cadwallon hatte ein freundliches Mondgesicht, seine dicke blonde Frau sah ziemlich verdrossen aus. Offenbar war Peredur nach einem attraktiveren Ahnherrn geraten. Es war eine reine Freude, seine anmutigen Bewegungen zu beobachten. Er war nur mittelgroß, aber so

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