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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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das Gefühl gaben, untergeordnet zu sein, und jedem seinen Platz im Gefüge der Gemeinde zuerkannten.
    Das Geschrei kam aus vielen Kehlen, fordernd, selbstsicher, aber es war nur ein Mann, der es entfesselt hatte. Prior Robert, wohl wissend, daß er nur einen einzigen Feind hatte, bezähmte seinen Zorn, dämpfte seine Stimme und entschied sich für die Weisheit der Taube und subtilere Waffen. Er hob seine langen eleganten Arme, so daß die weiten Ärmel seiner Kutte zurückfielen, und lächelte die Versammlung väterlich an.
    »Bruder Cadfael, sag Lord Rhisiart, es sei nicht verwunderlich, daß wir, wenn wir auch die gleiche Neigung im Herzen tragen, geteilter Meinung sind. Es ist besser, ruhig zu sprechen, von Mann zu Mann, und sich nicht von der Wut hinreißen zu lassen. Ich möchte mit ihm allein sprechen und diese Angelegenheit in aller Ruhe erörtern. Wir wollen beide unsere Ansichten kundtun, und danach werde ich nichts mehr vorbringen gegen das, was er seinen Leuten sagen wird.«
    »Das ist gerecht und großzügig«, entgegnete Rhisiart prompt, nachdem ihm dieses Angebot unterbreitet worden war, und trat vor.
    »Wir wollen nicht einmal den Schatten der Uneinigkeit in die Kirche Gottes tagen«, sagte Prior Robert. »Würdest du uns in Vater Huws Haus begleiten?« Zornige Blicke folgten ihnen, als sie in dem kleinen Holzhaus verschwanden. Die Männer blieben auf dem Kirchenplatz stehen, um das Ergebnis der Unterredung abzuwarten. Sie vertrauten der Stimme, die bisher für sie gesprochen hatte.
    In dem kleinen Raum, der nach Holz duftete, war es dunkel nach dem gleißenden Sonnenlicht. Prior Robert saß seinem Gegner mit gelassener Miene gegenüber. »Du hast deine Meinung überzeugend zum Ausdruck gebracht, und ich weiß deinen Glauben an die heilige Winifred zu schätzen, denn wir glauben ebenso unerschütterlich an sie. Und wir sind nur hierhergekommen, um ihr zu dienen - auf ihren Wunsch, da sind wir völlig sicher. Die Kirche und der Staat stehen auf unserer Seite, und du weißt besser als ich, was ein walisischer Edelmann beiden schuldig ist. Natürlich möchte ich Gwytherin nicht mit schlechtem Gewissen verlassen, denn mir ist bewußt, daß die Gemeinde einen schweren Verlust erleidet, wenn sie sich von der heiligen Winifred trennt. Deshalb will ich sie entschädigen.«
    »Du willst Gwytherin entschädigen?« fragte Rhisiart, nachdem Cadfael die Worte des Priors übersetzt hatte.
    »Ich verstehe nicht...«
    »Und auch dich will ich entschädigen«, fuhr Robert in freundlichem und beiläufigem Ton fort, »wenn du deinen Widerstand aufgibst, denn ich bin überzeugt, daß alle anderen deinem Beispiel folgen und vernünftig genug sein werden, den Wunsch des Bischofs und des Prinzen zu respektieren.«
    Cadfael erkannte, noch während er dies übersetzte, noch bevor die schmale, wohlgeformte Hand des Priors in die Brusttasche seiner Kutte griff, daß Robert den verhängnisvollsten Fehler seines Lebens beging. Rhisiarts Miene blieb verständnislos, auch als der Prior einen weichen Lederbeutel mit einer Kordel hervorzog und über den Tisch schob. Der Inhalt des Beutels klirrte, und Rhisiart starrte ihn argwöhnisch an. Dann blickte er verwirrt zu Robert. »Ich begreife nicht... Was soll das?«
    »Dies gehört dir, wenn du die Gemeinde dazu überredest, auf die Heilige zu verzichten«, erwiderte Robert.
    Zu spät spürte er die Spannung, die in der Luft lag, zu spät erkannte er seinen schweren Mißgriff. Hastig versuchte er den verlorenen Boden zurückzugewinnen. »Dies soll ganz Gwytherin zugute kommen - verwende es so, wie du es für richtig hältst - es ist eine große Summe...« Es war sinnlos, und Cadfael unterließ es, diese Worte zu übersetzen.
    »Geld!« sagte Rhisiart in einem Ton, der zugleich neugierig, spöttisch und angewidert klang. Natürlich wußte er, daß es Geld gab, und auch, wozu es diente, hielt es aber für eine Störung aller zwischenmenschlichen Beziehungen. In den ländlichen Teilen von Wales, und fast ganz Wales bestand aus solchen, wurde kaum Geld verwendet und auch kaum gebraucht. Waren und Dienstleistungen wurden ausgetauscht, wann immer es notwendig war. Niemand war so arm, daß er nicht sein Auskommen fand, Bettler waren unbekannt. Die Verwandtschaft kümmerte sich um hilflose ClanMitglieder, jedes Haus stand jedem offen. Die geprägten Münzen, die hin und wieder über die Sümpfe ins Land sickerten, stellten eine sinnlose Exzentrizität dar. Erst nachdem er minutenlang nichts als

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