Im Namen der Heiligen
gut proportioniert, daß er hochgewachsen wirkte. Sein dunkles Kraushaar war kurzgeschnitten, sein Kinn glattrasiert, sein feingezeichnetes Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den vollen, eigenwilligen Lippen sonnengebräunt. Ein so hübscher Bursche könnte es sicher kaum ertragen, daß ihm ein anderer, noch dazu ein Fremder, vorgezogen würde. Alle seine Gesten und Blicke verkündeten, daß er es gewöhnt war, sämtliche Mitmenschen - außer Sioned - mit seinem Charme zu bezaubern.
Als die Kirchenbänke voll besetzt waren, kam Prior Robert, hoch aufgerichtet, imposant und sorgfältig frisiert, aus der kleinen Sakristei. Die Mönche nahmen hinter ihm Aufstellung, und die Messe begann.
An der Versammlung nahmen die Frauen natürlich nicht teil, auch nicht die Leibeigenen, obwohl sie durch ihre freien Freunde indirekt Einfluß auf die Beschlüsse ausübten, die gefaßt werden sollten. Und während die freien Männer nach der Messe vor der Kirche stehenblieben, entfernten sich die anderen - weit genug, um außer Hörweite zu sein, aber nicht so weit, daß ihnen das Ergebnis der Diskussion entgehen konnte, sobald es feststand.
Die Freien versammelten sich auf dem Kirchenplatz, und Vater Huw klärte sie über die Angelegenheit auf, die besprochen werden sollte. Er war der Hirte seiner Herde, und er war es den Leuten schuldig, ihnen die Wahrheit zu sagen, doch genauso war er zur Treue gegenüber seiner Kirche verpflichtet. Er berichtete also, was der Bischof und der Prinz auf die Anfrage aus Shrewsbury geantwortet hatten, die so ehrerbietig und auf viele Beweise gestützt vorgebracht worden war. Die Erklärung, welche Bewandtnis es mit diesen Beweisen hatte, überließ er Robert.
Nie zuvor hatte der Prior heiliger ausgesehen, oder sicherer in seiner Überzeugung, einst selbst zu den Heiligen zu zählen. Er hatte es schon immer verstanden, sich
in Szene zu setzen, und es war zweifellos seine Idee gewesen, die Versammlung hier im Freien abzuhalten, wo die Sonnenstrahlen seine überirdische Erscheinung vergoldeten. Trotzdem wirkte er zu Cadfaels Überraschung nicht so anmaßend wie gewöhnlich, und er fand - im Gegensatz zu seinen sonstigen Übertreibungen - genau den richtigen Ton.
»Sie sind gar nicht glücklich«, wisperte Bruder John in Cadfaels Ohr, und das schien ihn nicht im mindesten zu betrüben. Es gab Zeiten, wo er seine Schadenfreude nicht unterdrücken konnte, und die walisischen Gesichter ringsum verrieten in der Tat keinerlei Begeisterung für die Wunder, die eine walisische Heilige in England vollbracht hatte. Robert bemühte sich vergeblich, sein Publikum mitzureißen.
Sie begannen zu murmeln, schauten sich an, dann wandten sie sich wieder ihm zu.
»Wenn es Owain von Griffith so will, und wenn der Bischof euch seinen Segen gegeben hat«, begann Cadwallon zögernd, »dann können wir als treue Söhne der Kirche und aufrechte Männer von Gwynedd wohl kaum... «
»Ja, sowohl der Bischof als auch der Prinz haben uns ihren Segen erteilt«, bestätigte der Prior salbungsvoll.
»Aber das Mädchen gehört hierher, nach Gwytherin«, meldete sich Rhisiart zu Wort. Er hatte genau die Stimme, die man von ihm erwartete - voll, melodiös und tief, eine Stimme, die ausdrückte, was er fühlte, und erklang, bevor er seine Gedanken zu Rate gezogen hatte. Doch im nachhinein stellte er meist fest, daß seine Gefühle bereits alle erforderlichen Gedanken beinhaltet hatten. »Winifred ist nicht Bischof Davids und auch nicht Owain von Griffiths Heilige, sondern die unsere. Hier hat sie gelebt und nie zum Ausdruck gebracht, daß sie uns verlassen will. Wie kann ich glauben, daß sie jetzt, nach so langer Zeit, fort will? Warum hat sie es uns dann nie gesagt?«
»Durch ihre Erscheinung hat sie es uns kundgetan«, erwiderte der Prior.
»Aber uns nicht!« schrie Rhisiart erregt. »Was erwartet ihr von uns? Sollen wir das von einer heiligen Jungfrau glauben, die beschlossen hat, bei uns zu leben?«
Die anderen waren auf seiner Seite, seine unerschütterliche Überzeugung entflammte sie, und nun kam aus einem Dutzend Kehlen der Ruf, daß die heilige Winifred nach Gwytherin gehörte und an keinen anderen Ort.
»Wollt ihr etwa behaupten, daß ihr euch stets um sie gekümmert habt?« fragte Prior Robert mit seiner hohen, klaren Stimme. »Habt ihr zu ihr gebetet? Habt ihr die gesegnete Jungfrau um Hilfe angefleht und ihr die Ehre erwiesen, die ihr zusteht? Könnt ihr irgendeinen Grund angeben, warum es ihr Wunsch sein
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