Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
der Wanne, wickelte sich ein Handtuch um die Hüften und hinterließ, als er ins Wohnzimmer tappte, nasse Fußspuren. Aber die Nachricht war nicht von Siobhan. Es war Ellen Wylie. Sie saß unten im Auto.
»War noch nie so beliebt bei den Damen«, murmelte er und drückte die Rückruftaste. »Geben Sie mir fünf Minuten«, bat er sie. Dann zog er sich an. Unten klingelte es erneut. Er betätigte den Öffner, und während er an der Tür wartete, lauschte er auf ihre Schritte im Treppenhaus.
»Ellen, immer ein Vergnügen«, begrüßte er sie.
»Bitte entschuldigen Sie, John. Wir waren alle im Pub, und ich musste einfach immer daran denken.«
»An die Bombenattentate?«
Sie schüttelte den Kopf. »An Ihren Fall«, präzisierte sie. Jetzt standen sie im Wohnzimmer. Sie schlenderte zu dem Tisch, auf dem die Unterlagen ausgebreitet waren; dann entdeckte sie die Wand und ging darauf zu, während ihr Blick über die dort angepinnten Fotos wanderte. »Ich habe den halben Tag damit zugebracht, die Geschichten dieser Monster zu lesen … zu lesen, was die Familien ihrer Opfer über sie denken, und dann genau diese Arschlöcher zu warnen, dass es da jemanden geben könnte, der auf Rache sinnt.«
»Trotzdem war es richtig, das zu tun, Ellen. In Zeiten wie diesen müssen wir das Gefühl haben, überhaupt etwas zu tun.«
»Nehmen wir mal an, sie wären keine Vergewaltiger, sondern Attentäter …?«
»Welchen Sinn hat das?«, fragte er und wartete auf eine Antwort. Doch sie zuckte lediglich mit den Schultern. »Möchten Sie was trinken?«
»Vielleicht Tee …« Sie drehte sich halb zu ihm um. »Das ist doch in Ordnung, oder? Dass ich so hereinplatze?«
»Ich freue mich über Gesellschaft«, log er, während er schon auf dem Weg zur Küche war.
Als er mit den zwei Bechern zurückkam, saß sie, über den ersten Stapel Papiere gebeugt, am Esstisch. »Wie geht es Denise?«, fragte er.
»Gut.«
»Sagen Sie, Ellen …« Er machte eine Pause, bis er sich ihrer Aufmerksamkeit sicher war. »Wussten Sie, dass Tench verheiratet ist?«
»Getrennt«, verbesserte sie ihn.
Rebus schürzte die Lippen. »Aber nicht so richtig«, klärte er sie auf. »Sie leben im selben Haus.«
Sie blinzelte nicht. »Warum sind alle Männer Arschlöcher, John? Anwesende natürlich ausgeschlossen.«
»Ich muss mich doch über ihn wundern«, fuhr Rebus fort. »Warum ist er so an Denise interessiert?«
»So eine schlechte Partie ist sie nicht.«
Mit einem leichten Zucken der Mundwinkel gab er ihr in diesem Punkt recht. »Trotzdem habe ich den Verdacht, dass der Stadtrat von Opfern angezogen wird. Manche Männer sind so, stimmt’s?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich weiß es eigentlich gar nicht so genau … ich wüsste nur gerne, was in ihm vorgeht.«
»Warum?«
Rebus schnaubte. »Noch eine verdammt gute Frage.«
»Halten Sie ihn für einen Verdächtigen?«
»Wie viele haben wir?«
Sie zuckte die Achseln. »Eric Bain ist es gelungen, ein paar Namen und Einzelheiten aus der Abonnentenliste herauszuziehen. Wahrscheinlich aber werden sie sich als die Familien der Opfer oder als in diesem Bereich tätige Fachleute entpuppen.«
»In welches Lager fällt denn Tench?«
»In keins. Macht ihn das zu einem Verdächtigen?«
Rebus stand neben ihr, den Blick auf die Fallakten gerichtet. »Wir brauchen ein Profil des Mörders. Alles, was wir bisher wissen, ist, dass er den Opfern nicht ins Gesicht sieht.«
»Trevor Guest hinterließ er uns aber in einem fürchterlichen Zustand – mit Schnitten, Kratzern, Prellungen. Guests Bankkarte hat er uns auch dagelassen, was bedeutet, dass wir dessen Namen von Anfang an kannten.«
»Empfinden Sie das als etwas Besonderes?«
Sie nickte. »Man könnte aber ebenso gut sagen, dass Cyril Colliar als einziger Schotte das Besondere ist.«
Rebus starrte ein Foto von Trevor Guests Gesicht an. »Guest hat eine Weile hier oben gelebt«, sagte er. »Hackman hat es mir erzählt.«
»Wissen wir, wo?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Muss irgendwo in den Akten stehen.«
»Hat das dritte Opfer auch irgendwelche Verbindungen nach Schottland?«
»Möglicherweise.«
»Vielleicht ist das der Schlüssel. Statt uns auf Bestien-im-Visier zu konzentrieren, sollten wir mehr über die drei Opfer nachdenken.«
»Sie klingen, als wollten Sie gleich loslegen.«
Sie schaute ihn an. »Ich bin zu aufgedreht zum Schlafen. Und Sie? Ich könnte ja einen Stapel Unterlagen mit nach Hause nehmen.«
Rebus schüttelte erneut den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher