Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
vor Jahren seinen Namen gewechselt hatte. Die Uhr an seinem großen angestrahlten Glockenturm ging immer ein paar Minuten vor, damit Reisende ihren Zug nicht verpassten. Ein uniformierter Page führte Rebus in die Hotelhalle, wo ein Hotelportier ihn sofort als Unruhestifter ausmachte.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Sir?«
Rebus hielt ihm mit einer Hand seine Dienstmarke und mit der anderen die Schlüsselkarte hin. »Ich muss einen Blick in dieses Zimmer werfen.«
»Und warum das, Inspector?«
»Wie’s scheint, hat der Gast früher ausgecheckt.«
»Das ist bedauerlich.«
»Ich wage zu behaupten, dass jemand anderes seine Rechnung übernimmt. Genau das könnten Sie für mich prüfen.«
»Das muss ich erst mit der Geschäftsführung klären.«
»Gut. Ich gehe dann schon mal nach oben …« Er winkte mit der Schlüsselkarte.
»Auch das muss ich leider erst klären.«
Rebus trat einen Schritt zurück, um sein Gegenüber besser abschätzen zu können. »Wie lang wird das dauern?«
»Ich muss nur die Geschäftsführerin finden … nicht mehr als ein paar Minuten.« Rebus folgte ihm an die Rezeption. »Sara, ist Angela in der Nähe?«
»Ich glaube, sie ist raufgegangen. Ich lasse sie ausrufen.«
»Und ich schaue im Büro nach«, sagte der Portier zu Rebus und verschwand. Rebus wartete und sah zu, wie die Empfangsdame Ziffern in ihr Telefon tippte, bevor sie den Hörer auflegte. Sie hob den Kopf und lächelte ihn an. Sie wusste, dass etwas nicht stimmte, und wollte mehr erfahren.
Rebus war so frei: »Ein Gast ist zu Tode gekommen.«
Ihre Augen weiteten sich. »Das ist ja schrecklich.«
»Mr. Webster, Zimmer 214. War er allein hier?« Ihre Finger bewegten sich rasch über die Tastatur. »Doppelzimmer, aber nur ein Schlüssel ausgegeben. Ich glaube, ich erinnere mich nicht an ihn …«
»Gibt es eine Privatanschrift?«
»London«, las sie.
Rebus hielt das für eine Zweitwohnung, die er unter der Woche benutzt hatte. In dem Bemühen, ungezwungen zu erscheinen, lehnte er sich über die Empfangstheke und überlegte, wie viele Fragen er wohl noch würde stellen können. »Hat er mit Kreditkarte bezahlt, Sara?«
Sie schaute auf ihren Bildschirm. »Rechnung an -« Sie verstummte, als sie den Portier zurückkommen sah.
»Rechnung an …?«, half Rebus nach.
»Inspector!«, rief der Portier, der merkte, dass irgendetwas vor sich ging.
Saras Telefon klingelte. Sie nahm den Hörer ab. »Rezeption«, trällerte sie. »Oh, hallo Angela. Hier ist noch ein Polizist …«
Noch ein Polizist?
»Kommen Sie runter oder soll ich ihn nach oben schicken?«
Der Portier stand jetzt hinter Rebus. »Ich begleite den Inspector nach oben«, sagte er zu Sara.
Noch ein Polizist … oben … Rebus beschlich ein ungutes Gefühl. Als ein Klingelton anzeigte, dass die Aufzugtür sich öffnete, drehte er sich nach dem Geräusch um – und sah David Steelforth herauskommen. Der Mann vom Special Branch hatte den Anflug eines Lächelns im Gesicht, während er langsam den Kopf schüttelte. Was das bedeutete, war sonnenklar: Du wirst nicht einmal in die Nähe von Zimmer 214 kommen, Freundchen. Rebus drehte sich um, packte den Computermonitor und schwenkte ihn zu sich her. Der Portier hielt ihn am Arm fest. Sara kreischte in den Hörer, worauf der Geschäftsführerin wahrscheinlich das Trommelfell platzte. Steelforth lief herbei, um sich in den Streit einzuschalten.
»Das geht nun wirklich zu weit«, zischte der Portier. Er hielt ihn fest umklammert. Rebus sagte sich, dass der Mann in seiner Laufbahn wohl einiges erlebt hatte, und beschloss, sich nicht mit ihm anzulegen. Er nahm die Hand von dem Monitor. Sara schwenkte ihn wieder zu sich herum.
»Sie können mich jetzt loslassen«, sagte Rebus. Der Portier lockerte den Griff. Sara starrte ihn, das Telefon immer noch in der Hand, wie unter Schock an. Rebus drehte sich zu Steelforth um.
»Sie werden mir sagen, dass ich mir Zimmer 214 nicht anschauen kann.«
»Ganz und gar nicht.« Steelforths Lächeln wurde breiter. »Aber die Geschäftsführerin tut es: Das ist schließlich ihr gutes Recht.«
Wie auf Kommando hielt Sara sich den Telefonhörer ans Ohr. »Sie ist unterwegs«, sagte sie.
»Na klar.« Rebus’ Blick lag immer noch auf Steelforth, aber ein Stückchen hinter ihm stand noch jemand: Siobhan. »Die Bar ist doch noch geöffnet, oder?«, fragte Rebus den Portier. Der Mann hätte die Frage liebend gern verneint, aber die Lüge wäre zu offensichtlich gewesen. So nickte er kurz.
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