Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
Boden. Ascheflöckchen kamen zurückgeflogen und sprenkelten Caffertys Mantel. »Wollen Sie dieses Dreckloch wirklich kaufen?«, fragte Rebus.
»Wahrscheinlich nicht. Aber ich könnte, wenn ich wollte.«
»Und das gibt Ihnen einen Kick?«
»Die meisten Dinge befinden sich durchaus in unserer Reichweite, Rebus. Wir haben nur Angst vor dem, was uns erwartet, wenn wir dort sind.«
Auch Siobhan war aus dem Auto gestiegen, den Finger unten auf das letzte Blatt geheftet. »Was ist das?«, fragte sie, während sie um den Bentley herum auf sie zuging. Cafferty kniff zur besseren Konzentration die Augen zusammen.
»Eine Website, vermute ich«, antwortete er.
»Natürlich ist es eine Website«, gab sie zurück. »Daher kommt ja die Hälfte von dem ganzen Zeug.« Sie wedelte mit den Blättern vor seiner Nase.
»Glauben Sie, das ist ein Hinweis?«, fragte er schelmisch. Sie machte auf dem Absatz kehrt, und während sie auf Rebus’ Saab zusteuerte, gab sie ihm ein Zeichen, dass es Zeit war zu gehen.
»Mausert sich ganz schön, wie?«, sagte Cafferty mit gedämpfter Stimme zu Rebus. Nach einem Lob klang es allerdings nicht unbedingt. Rebus hatte den Eindruck, dass der Gangster wenigstens einen Teil der Ehre für sich in Anspruch nahm.
Auf dem Weg zurück in die Stadt stieß Rebus auf einen lokalen Nachrichtensender. In Dunblane fand ein alternativer Kindergipfel statt.
»Ich kann den Namen dieses Ortes nicht mehr hören, ohne dass es mich schaudert«, gab Siobhan zu.
»Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Professor Gates war einer der Pathologen.«
»Das hat er nie erzählt.«
»Wollte nicht drüber sprechen«, erklärte Rebus. Er drehte das Radio etwas lauter. Bianca Jagger sprach gerade zu den Menschen in der Usher Hall.
»Sie haben es hervorragend verstanden, unsere Make-Poverty-History-Kampagne für ihre Zwecke zu nutzen …«
»Sie meint Bono & Co«, kommentierte Siobhan. Rebus nickte zustimmend.
»Bob Geldof hat zwar nicht mit dem Teufel getanzt, aber mit dem Feind geschlafen …«
Als der Beifall ausbrach, drehte Rebus die Lautstärke wieder zurück. Der Reporter sagte gerade, es gebe wenig Anzeichen dafür, dass das Konzertpublikum aus dem Hyde Park sich auf den Weg nach Norden mache. Dagegen hätten viele der Demonstrationsteilnehmer vom Samstag Edinburgh bereits wieder verlassen.
»Dance with the devil«, sinnierte Rebus. »Ein Song von Cozy Powell, wenn ich mich recht erinnere.« Er verstummte und stieg gleichzeitig auf Bremse und Kupplung. Ein Konvoi aus weißen Einsatzwagen raste auf der falschen Straßenseite auf den Saab zu. Mit Lichthupe, aber ohne Sirene. Jedes Fahrzeug wies eine vergitterte Frontscheibe auf. Sie hatten sich auf den Fahrstreifen des Saab hinübergeschoben, um schneller an ein paar anderen Autos vorbeizukommen. Durch die Seitenfenster konnte man Polizisten in Schutzausrüstung sehen. Der erste Mannschaftswagen fädelte sich schwungvoll wieder in seine eigene Spur ein, wobei er den Kotflügel des Saab nur um wenige Zentimeter verpasste. Die übrigen taten es ihm gleich.
»Meine Fresse!«, entfuhr es Siobhan.
»Willkommen im Polizeistaat«, fügte Rebus hinzu. Er hatte den Motor abgewürgt und musste neu starten. »Aber die Vollbremsung war gar nicht schlecht.«
»Waren das welche von uns?« Siobhan hatte sich umgedreht, um dem verschwindenden Konvoi hinterherzuschauen.
»Soweit ich sehen konnte, hatten sie keine Kennzeichnung.«
»Meinen Sie, irgendwo hat’s Ärger gegeben?« Sie dachte an Niddrie.
Rebus schüttelte den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, sind sie zu Tee und Keksen zurück nach Pollock Halls gedüst. Und diesen kleinen Stunt haben sie abgezogen, weil es sich gerade anbot.«
»Sie sagen ›sie‹, als wären wir nicht auf derselben Seite.«
»Bleibt abzuwarten, Siobhan. Lust auf einen Kaffee? Ich muss meine alte Pumpe auf Touren bringen …«
An der Ecke Lothian Road, Bread Street gab es einen Starbucks, aber es war schwer, einen Parkplatz zu finden. Rebus vermutete, dass sie zu nah an Usher Hall waren. Er hatte sich für ein absolutes Halteverbot entschieden und legte einen Zettel mit dem Wort POLIZEI hinter die Windschutzscheibe. In dem Café fragte Siobhan den Teenager hinter dem Tresen, ob er keine Angst vor Demonstranten habe. Der zuckte nur die Achseln.
»Wir haben unsere Instruktionen.«
Siobhan warf eine Einpfundmünze in die Trinkgelddose. Sie hatte ihre Schultertasche mitgebracht. Am Tisch holte sie ihren Laptop heraus und schaltete ihn
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