Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
dann in der Pfarrei gelebt?«
» Vielleicht hat ihm dieses große Haus ja noch gar nicht gehört. Schließlich hat er auf irgendetwas gewartet. Jahrelang, und zwar nicht grundlos auf heimischem Terrain. Wenn er so lange unter derartig widrigen Umständen vor Ort geblieben ist, wollte er doch sicher dauerhaft dort bleiben, meinst du nicht?«
» Das große Haus, der Reichtum, das Ansehen und die Frau.« Nickend marschierte Roarke mit ihr den Korridor hinab. » Und dazu noch das Terrain, das er schon immer als sein Eigentum betrachtet hat.«
» Wenn es das, worauf er jahrelang gewartet hat– und es muss um Kohle gehen oder um irgendetwas, womit sich Kohle machen lässt–, in seinem alten Viertel gab, warum hätte er dann wieder gehen sollen? Er war nicht zum Vergnügen hier, sondern hatte eindeutig ein Ziel. Bisher habe ich nicht hier nach seinem Ziel gesucht, weil ich davon ausging, dass er die alte Heimat einfach als gutes Versteck betrachtet hat. Vielleicht hat er das ja auch.«
Sie raufte sich die Haare, als sie ihr Büro betrat. » Vielleicht hat er das ja auch. Aber vielleicht war hier auch etwas, auf das er gewartet hat. Etwas, was er jeden Tag gesehen und was ihm das Gefühl gegeben hat, unglaublich gewieft zu sein. Irgendwas, was ihm geholfen hat, diese Scharade über Jahre hinweg durchzustehen und die Rolle zu spielen, die ihm alles andere als auf den Leib geschneidert war.«
Sie trat vor die Tafel an der Wand und dachte gründlich nach. » Was gehört dir alles in der Grafton Street?«
Roarke starrte sie verwundert an, nickte dann aber langsam mit dem Kopf. » Hier etwas und da etwas. Ja, ich wollte haben, worauf ich als Junge neidisch war.«
» Rosa kannte ihn, hat mir aber erklärt, dass er sie weitestgehend in Ruhe gelassen hat. Den alten Mr Ortiz hat er angeblich gemocht und respektiert. Vielleicht auch beneidet, falls wir wieder die Todsünden einbeziehen wollen, ja, vielleicht auch das.« Sie schob ihre Daumen in die Hosentaschen und ging das mögliche Szenario noch einmal in Gedanken durch.
» Der Ortiz-Clan ist eine riesige Familie, die fest zusammenhält. Etwas Ähnliches wie eine Gang? Sie geben aufeinander Acht und verteidigen ihr Territorium. Als Flores kommt er ihnen nahe, traut sie, beerdigt sie, besucht sie in ihren schönen Häusern. Was sie haben, will er auch. Nur wie kommt er da dran?«
» Glaubst du, er hat Hector Ortiz umgebracht?«
» Nein, der ist eines natürlichen Todes gestorben. Das habe ich mehrfach überprüft. Vor allem hat Lino Hector Ortiz respektiert und auf seine eigene Art vielleicht sogar bewundert. Aber die Ortizes sind nicht die Einzigen, die schöne Häuser und eine enge Beziehung zur Kirche haben. Am besten sehe ich mir ein paar der anderen schönen Häuser an, viellleicht gibt es da einen Anhaltspunkt. Dafür wäre das Hologramm nicht schlecht.«
» Dann mache ich mich besser an die Arbeit.« Er hielt die Zuckerguss-Eve-Dallas von der Torte hoch. » Und das hier nehme ich als Lohn für all die Zeit und Mühe, die ich investiere, mit.«
Sie bedachte ihn mit einem amüsierten Blick. » Willst du mich etwa aufessen?«
» Natürlich könnte ich dir jetzt eine obszöne Antwort darauf geben, aber nein, ich stelle dich auf meinen Schreibtisch und gucke dich einfach hin und wieder an.«
Er neigte seinen Kopf und küsste sanft die echte Frau. » Und wonach suchst du, wenn du all die schönen Häuser überprüfst?«
» Das weiß ich erst, wenn ich es finde«, antwortete sie und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz.
19
Ihr war klar, die Überprüfung der Gebäude und der Eigentümer würde sicher länger dauern als Roarkes Arbeit an dem Hologramm. Deshalb schränkte sie die Suche zunächst auf das Dreieck zwischen Kirche, Jugendzentrum und dem Haus von Hector Ortiz ein.
Sicher war das alles reine Zeitvergeudung, dachte sie. Ein vollkommen sinnloses Unterfangen, weil es diesem blöden Kerl um etwas völlig anderes gegangen war.
Aber irgendeine Gaunerei im großen Stil hatte er auf alle Fälle vorgehabt. Und eine Gaunerei im großen Stil erforderte umfängliche Planung, großes Engagement, gründliche Recherchen und ein langfristiges, lohnenswertes Ziel.
Nachdenklich griff sie nach ihrem Link und rief bei einer guten Freundin mit Erfahrung in Trickbetrügereienan.
Mavis Freestones von einer Monstranz aus frühlingsgrünem Haar gerahmtes, grinsendes Gesicht tauchte auf dem Bildschirm auf.
» He. Du hast mich gerade in einem perfekten Augenblick erwischt. Die
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