Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
ungefähr derselben Zeit auf das Jahr 2043 oder jedes beliebige andere Jahr zurückdatieren, wenn du willst.«
» Du willst doch nur spielen«, gab sie ungerührt zurück. » Das ist es, was er nach seiner Rückkehr jeden Tag gesehen hat. Was er auch immer in der guten, alten Zeit gesehen hat«, übernahm sie Mavis’ Worte, » hat er jetzt immer noch gesehen. Vielleicht etwas verändert, aber trotzdem ist es irgendetwas, was es auch damals schon gegeben hat. Was er schon damals haben wollte und worauf er immer noch gegeiert hat.«
» Das kann ich verstehen«, erklärte Roarke.
» Peabody und ich werden Überlebende der beiden Explosionen und Familienmitglieder der Opfer suchen und vernehmen. Bei dem zweiten Anschlag gab es immerhin fünf Tote«, meinte sie und runzelte die Stirn, als sie auf das leuchtende Reklameschild des Supermarktes sah. » Er gehört nicht zur Gemeinde von St. Cristóbal. Das Gebäude lag ein wenig außerhalb, auf umkämpftem Territorium, aber näher am Gebiet der Skulls, als die Bombe hochgegangen ist. Lino ist fast jeden Tag gejoggt, meistens zusammen mit dem anderen Pater, Freeman, ihre normale Route hat sie vom Pfarrhaus Richtung Osten, Norden und dann wieder nach Westen durch diesen Teil von Spanish Harlem– an diesen Mittel- und obere Mittelklassehäusern wie dem von Hector Ortiz– vorbeigeführt, bevor sie wieder Richtung Süden bis zum Jugendzentrum gelaufen sind. Er ist hier aufgewachsen, aber die Straße, in der seine alte Wohnung lag, hat ihn nicht interessiert. Er hat sich lieber die schickeren Gebäude angesehen.«
Roarke wollte etwas sagen, beschloss dann aber, ihr erst einmal einfach weiter bei der Arbeit zuzusehen, und um dieses Vergnügen noch zu steigern, schenkte er sich einen Brandy ein.
» Man entwickelt Gewohnheiten nicht ohne Grund«, murmelte sie vor sich hin. » Wenn man etwas immer wieder tut, dann aus irgendeinem Grund. Vielleicht ist er diesen Weg nur deshalb oft gelaufen, weil es sich ganz einfach so ergeben hat. Aber er hätte auch dieselbe Zeit und Strecke laufen können, indem er hin und wieder andere Wege nimmt, wie es die meisten Leute tun, die gewohnheitsmäßig laufen. Weil das einfach interessanter ist. Er hätte also auch erst mal nach Westen, dann nach Süden und am Schluss zurück nach Norden laufen können, aber Freeman meinte, dass er nie von seiner Route abgewichen ist. Was oder wen hat er also auf diesem Weg regelmäßig gesehen?«
Sie ging in die Hocke und fuhr mit der Hand durch eine Reihe von Gebäuden, die bei der Berührung flimmerten. » Alle diese Häuser, alle diese Wohnungen sind Teil der Gemeinde und des Schulbezirks. Jeder, der damals hier gelebt hat, hat Lino, den Anführer der Gang, gekannt. Sicher, es sind Leute weggezogen, neue hergezogen, Menschen gestorben und geboren. Aber trotzdem gibt’s auch viele, wie die Ortizes, die hier verwurzelt sind. Jeden Tag aufs Neue: › Hallo, Pater. Guten Morgen, Pater. Gut geschlafen, Pater?‹ Ich wette, das ging ihm gut ab.«
» Es war wie eine Patrouille, findest du nicht auch? Wie eine Art täglicher Patrouille. Auf seinem Gebiet. Er hat sich benommen wie ein Hund, der sein Revier markiert.« Sie pikste Ortiz’ Haus mit dem Zeigefinger an. » Wie viel ist ein solches Haus inzwischen wert? Ein privates Haus in diesem Gebiet?«
» Kommt drauf an. Wenn man es als Wohnhaus nutzen will…«
» Jetzt werd’ bitte nicht krümelpickerisch. Ich brauche nur eine ungefähre Zahl. Ein Einfamilienhaus, noch vor den Innerstädtischen Revolten erbaut und gut erhalten.«
» Wie groß? Aus was für einem Material? Das spielt schließlich alles eine Rolle«, beharrte er auf seiner Position, bevor er sich, als sie eine Grimasse zog, geschlagen gab. » Aber um eine ungefähre Zahl zu nennen…« Er hockte sich neben sie, betrachtete das Haus und nannte eine Zahl, die ihr die Augen aus dem Schädel quellen ließ.
» Das ist ja wohl ein Witz.«
» Nein. Ich habe meine Schätzung sogar extra ziemlich niedrig angesetzt, denn schließlich habe ich mir das Gebäude nicht mal richtig angesehen. Und diese Zahl geht sicher noch nach oben, wenn die Gentrifizierung dieses Viertels weitergeht. Wenn du an einen Direktverkauf von Privatmann an Privatmann denkst, hängt der Preis natürlich auch noch von der Einrichtung des Hauses ab. Von der Qualität der Küche und der Bäder, wie viel noch von dem ursprünglichen Baumaterial erhalten ist und so weiter.«
» Dafür kriegt man ganz schön viele Tacos«, meinte
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