Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
zurückgekommen ist. Er hat diesen Ort vorsätzlich gewählt, also hat er ihn gekannt. Aber niemand sollte ihn erkennen, deshalb brauchte er das neue Gesicht. Und zur Erreichung seines Ziels brauchte er jede Menge Geduld.« Sie dachte nach und murmelte: » Und so wartete er in Geduld und erlangte die Verheißung.«
» Ach ja?«
» Meiner Meinung nach werden die Geduldigen im Land der Versprechen die halbe Zeit verarscht, aber die Bibel sieht das offenkundig anders«, antwortete sie. » Er hatte diese Passage in seiner Bibel unterstrichen. Und dann noch eine andere…« Sie kehrte an ihren Schreibtisch zurück und sah sich die Stelle noch mal an: » Reichtum und Ehre ist bei mir, bleibendes Gut und Gerechtigkeit.«
» Geld, Ansehen, Format«, sinnierte Roarke. » Für manche Menschen Grund genug zu töten und zu warten, bis dieses Versprechen in Erfüllung geht. Dabei ist es schön, wenn man in einer vertrauten Umgebung warten kann– und vielleicht verschafft es einem ja noch einen zusätzlichen Kick, wenn man ständig bekannte Leute sieht und weiß, dass sie keine Ahnung haben, wer man ist.«
Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. » Menschen erzählen Priestern alle möglichen Dinge, stimmt’s? Intime, persönliche Dinge. Vielleicht war das für ihn ja noch ein zusätzlicher Kick.«
» Ich hatte mal einen Bekannten, der sich ab und zu als Priester ausgegeben hat.«
» Und warum?«
» Für irgendwelche Betrügereien. Wie du eben selbst gesagt hast, gestehen die Menschen Priestern ihre Sünden, was für einen Erpresser durchaus praktisch ist, und obendrein gehen auch noch regelmäßig Kollekte-Beutel in der Kirche rum. Mir hat diese Masche allerdings nie wirklich zugesagt.«
» Weil…?«
» …sie ziemlich unfein ist, oder etwa nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste von den Dingen, die er selbst als junger Mann betrieben hatte, trotzdem kaufte sie ihm ab, dass er es einfach erbärmlich fand, nutzte man die Schwächen bußfertiger Sünder derart schamlos aus.
» Vielleicht war das ja Teil des Spiels. Vielleicht hat er einen oder mehrere Sünder aus der Gemeinde erpresst und wurde dafür von ihm, ihr oder ihnen zur Hölle geschickt. Klingt fast nach einer Form von höherer Gerechtigkeit. Falscher Priester nutzt seine Soutane, um Leute zu erpressen, und einer der Erpressten nutzt ein Ritual der Kirche, um sich des falschen Priesters zu entledigen.«
Sie wandte sich erneut von ihrem Schreibtisch ab und lief im Zimmer auf und ab. » Aber was genau gelaufen ist, finde ich sicher erst heraus, wenn ich weiß, wer er in Wahrheit war. Ich brauche diese Tätowierung. Hoffentlich können die Kollegen im Labor sie rekonstruieren. Sie wäre vielleicht eine erste Spur. Angenommen, er hat sie vor ungefähr sechs Jahren entfernen und sich gleichzeitig das Gesicht erneuern lassen, brauchen wir nur noch herauszufinden, wo der wahre Flores zum letzten Mal gesund und munter gesehen worden ist, und schon habe ich eine Gegend, auf die ich mich konzentrieren kann.«
Sie blickte wieder auf Roarke, der noch immer auf der Kante ihres Schreibtischs saß und verfolgte, wie sie durch das Zimmer lief. » Es gibt immer irgendwelche Echos oder Schatten, stimmt’s? Das sagt ihr Elektronikfreaks doch immer, wenn es ums Hacken und das Löschen von Daten geht. Und es gibt immer einen Weg, auf dem man diese Echos oder Schatten wieder sichtbar machen kann.«
» Fast immer«, verbesserte er sie.
Seine Echos oder Schatten würden sie nicht finden, dachte Eve. Aber wie viele Menschen hatten schon die Mittel oder Fähigkeiten eines Roarke? » Wenn er so gut wie du gewesen wäre oder jemanden hätte bezahlen können, der so gut ist wie du, hätte er nicht jahrelang in Spanish Harlem den Priester rausgekehrt, sondern sich irgendwo an einem warmen Strand versteckt und dort ausgeharrt.«
» Da hast du wahrscheinlich recht.«
» Bisher sind das alles bloße Spekulationen oder Projektionen. Aber so arbeite ich nicht gern. Deshalb setze ich am besten morgen Feeney und die anderen elektronischen Ermittler auf die Sache an.«
» Und was wirst du selber morgen tun?«
» Ich werde noch einmal in die Kirche gehen.«
Er stand auf und trat entschlossen auf sie zu. » Tja, dann lass uns vorher noch ein bisschen sündigen.«
» Selbst ich weiß, dass das zwischen Eheleuten keine Sünde ist.«
Er neigte seinen Knopf, knabberte an ihrer Unterlippe und erklärte: » Was ich vorhabe, wahrscheinlich doch.«
» Ich bin noch am
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