Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
schnell über das dichte, weiße Haar– das sein ganzer Stolz und seine ganze Freude war– und rief dann fröhlich: » Immer nur hereinspaziert!«
» Noch fünf Minuten, Jimmy Jay.«
Er setzte sein superstrahlendes Lächeln auf. » Ich habe nur noch mal mein Aussehen überprüft. Wie sieht’s vorn am Einlass aus, Billy?«
Sein Manager, ein dünner Mann mit rabenschwarzem Haar, trat durch die Tür. » Wir sind mal wieder ausverkauft, das heißt, wir werden über fünf Millionen machen, und das noch ohne die Gebühren für die Übertragung und ohne Spenden.«
» Das ist eine göttliche Summe.« Grinsend fuchtelte Jimmy Jay mit einem Finger vor Billys Gesicht herum. » Lass uns dafür sorgen, dass sie es auch wert ist. Lass uns rausgehen und ein paar Seelen retten.«
Das meinte er tatsächlich ernst. Er war der festen Überzeugung, dass er bereits Dutzende von Seelen gerettet hatte, seit er als Prediger in Little Yazoo, Mississippi, aufgebrochen war. Ebenso, wie er der Überzeugung war, dass sein Lebensstil wie auch die Diamantringe an seinen Händen die Belohnung für die guten Werke waren, die er seither tat.
Ihm war bewusst, dass er ein Sünder war– den Wodka und die sexuellen Eskapaden sah der liebe Gott bestimmt nicht gern–, doch genauso war ihm klar, dass Gott alleine ohne Fehler war.
Er lächelte, als die Sängerinnen des Ewigen Lichts donnernden Applaus bekamen, und zwinkerte seiner Gattin zu, die auf der anderen Seite hinter der Bühne stand. Sie würden die Bühne gleichzeitig betreten und sich in der Mitte treffen, während der Vorhang sich erhob und der riesengroße Bildschirm sie bis in die hintersten Reihen der oberen Ränge trug.
Glitzernd wie ein Engel stünde seine Jolene neben ihm im Rampenlicht. Sie würden die Menge gemeinsam begrüßen, danach sänge sie das Solo, das ihr Markenzeichen war– » Wir gehen in seinem Licht«–, er küsste ihr die Hand, weil das die Menge liebt, und dann träte sie wieder von der Bühne ab, und er ginge seiner Arbeit, das hieß der Rettung möglichst vieler Seelen, nach.
Dann ginge es nur noch um den Herrn.
In seinen liebenden Augen sah Jolene wieder einmal einfach reizend aus. Während sie ihren im Verlauf der Zeit perfektionierten Auftritt absolvierte, glitzerte ihr pinkfarbenes Kleid im Rampenlicht, und sie sah ihn aus blitzenden Augen an. Ihr zu einem goldenen Berg aufgetürmtes Haar schimmerte wie die drei Ketten, die sie trug, und Jimmy Jay ging der Gedanke durch den Kopf, dass ihre Stimme, wenn sie sang, genauso reich und rein wie die Fülle an in die Ketten eingelassenen Edelsteinen war.
Wie jedes Mal bekam er feuchte Augen, als sie sang, und wie jedes Mal zog sie das Publikum in ihren Bann. Eine Wolke ihres kostbaren Parfüms wehte ihm entgegen, als er ihre Hand mit größter Zärtlichkeit an seine Lippen hob, und er sog den Duft so tief es ging in seine Lungen ein und sah ihr hinterher, als sie wieder hinter der Bühne verschwand. Dann drehte er sich um und wartete, bis vollkommene Stille in der Halle eingezogen war.
Auf dem großen Bildschirm hinter ihm drang Gottes Speer durch eine goldene Wolkenwand und die Menge rang nach Luft.
» Wir sind alle Sünder.«
Er sprach mit leiser, ruhiger Stimme ein Gebet, wurde dann energischer und lauter, legte jedoch mit dem Timing eines echten Entertainers regelmäßig Pausen für Applaus, ein Halleluja oder Amen ein.
Schweißtropfen glitzerten in seinem Gesicht und machten den Kragen seines Hemdes feucht. Er wischte sie mit einem Taschentuch in der Farbe seiner Fliege fort, und als er seine weiße Jacke auszog und nur noch in Hemdsärmeln und Hosenträgern vor der Menge stand, brachen seine Anhänger in lauten Jubel aus.
Seelen, dachte er und konnte deutlich spüren, wie sie sich ihm öffneten. Anschwellende, hell schimmernde Seelen. Während die Luft um ihn herum vibrierte, griff er sich die dritte von den sieben Wasser-mit-einem-Schuss-Wodka-Flaschen, die er im Laufe eines solchen Abends trank.
Wieder fuhr er sich mit seinem Tuch über die schweißbedeckte Stirn und trank mit einem Schluck beinahe die halbe Flasche aus.
» Ernten, heißt es in der Bibel, ihr werdet ernten, was ihr sät! Sag mir, allmächtiger Gott, wirst du Sünde säen oder wirst du…«
Er fing an zu husten, riss an seiner Fliege und fuchtelte mit seiner anderen Hand hilflos durch die Luft. Dann rang er erstickt nach Luft, sein mächtiger Leib fing an zu zucken, schwankte hin und her, und mit einem gellenden Schrei stürzte
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