Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
sogar noch schlimmer ist. Schlimmer für dieses Mädchen, weil da jemand war, der es hätte mitbekommen und verhindern sollen.«
» Ja, ja.« Sie ließ ihre Hände wieder sinken. » Und ich habe diese jämmerliche, unglückliche, verängstigte Frau gehasst und einem Toten, von dem ich nicht nur glaube, sondern weiß, dass er ein Mörder war, zu seinem Verhalten gratuliert.«
» Ihm dazu zu gratulieren, dass er einem Kind gegenüber das Richtige getan hat, ist noch keine Entschuldigung für das, was er sonst getan hat, Eve.«
Ein wenig ruhiger griff sie abermals nach ihrem Glas. » Es ist mir nahegegangen«, wiederholte sie. » Und später kam dann dieser Priester zu mir aufs Revier. Der echte. Pater López. Er hat etwas an sich…«
» Hast du ihn unter Verdacht?«
» Nein. Nein. Er ist vielmehr interessant. Irgendwie eine… fesselnde Persönlichkeit. Er…« Plötzlich ging ihr etwas auf. » Er erinnert mich an dich.«
Hätte sie ihm einen Fausthieb direkt ins Gesicht verpasst, hätte ihn das nicht mehr schockiert als dieser Satz. » An mich?«
» Er weiß ganz genau, wer und was er ist, und akzeptiert es ohne Vorbehalt. Er ist tough, und er hat eine wirklich gute Menschenkenntnis. Lino hat er aber nicht durchschaut und das geht ihm furchtbar gegen den Strich. Er ist ein Typ, der die Verantwortung für seine Taten übernimmt, und er ist durchaus bereit, notfalls eine Grenze zu überschreiten, um zu tun, was er für richtig hält.«
» All das?«
» All das. Er hat mir Informationen gegeben, die ich brauche, obwohl seine Vorgesetzten die Sache endlos rauszögern wollen. Er hat sie hintergangen und ist seinem eigenen Ehrenkodex gefolgt. Dann habe ich ihn gefragt– es gehörte nicht dazu, deshalb weiß ich gar nicht, warum– aber dann habe ich ihn gefragt, was er gemacht hat, bevor er Priester wurde.«
Ermattet nahm sie auf dem Sofa Platz und erzählte ihm von López und seiner geliebten Frau.
» Auch das hat dich an dich selbst erinnert, daran, dass du all die Jahre gefangen und wehrlos warst, wenn dein Vater dich geschlagen und vergewaltigt hat. Und gleichzeitig hast du an Marlena gedacht«, fügte Roarke den Namen von Summersets Tochter hinzu.
» Gott.« Bei der Erinnerung an diese Albträume stiegen hinter ihren Augen Tränen auf. » Als er mir davon erzählte, konnte ich es deutlich vor mir sehen. Und ich konnte mich selber sehen, wie ich zum letzten Mal in diesem Zimmer war, als er mir den Arm gebrochen und mich vergewaltigt hat und ich ausgerastet und mit einem Messer auf ihn losgegangen bin. Ich konnte auch Marlena vor mir sehen, und wie es für sie gewesen sein muss, als diese Männer sie gekidnappt, gefoltert, vergewaltigt und getötet haben, weil sie deine Freundin war.«
Sie wischte sich die Tränen fort, doch sofort kamen neue nach. » Dann hat er von Wundern und Erscheinungen gesprochen, und ich habe gedacht: Aber was ist mit den Dingen, die vorher geschehen sind? Was ist mit der Panik, den Schmerzen und der furchtbaren Hilflosigkeit? Was ist damit? Denn ich bin nicht tot, und ich fühle diese Dinge immer noch. Muss man tot sein, damit man diese Dinge nicht mehr spürt?«
Ihre Stimme brach, und Roarke kam es so vor, als bräche ihm gleichzeitig das Herz.
» Schließlich hat er mich gefragt, ob ich auch schon einmal getötet habe, aber er hat die Antwort im Voraus gekannt, denn er hatte mir diese Frage schon einmal gestellt. Dann wollte er plötzlich wissen, ob ich Freude dabei empfunden habe, und ich habe automatisch nein gesagt. Im Dienst, als Cop habe ich meine Waffe noch nie zum Spaß benutzt. Aber ich habe mich gefragt, während eines kurzen Augenblicks habe ich mich gefragt, was ich in jener Nacht empfunden habe. Als ich als achtjähriges Kind mit einem Messer auf ihn eingestochen habe, ein ums andere Mal. Hat mir das Spaß gemacht?«
» Nein.« Jetzt setzte er sich neben sie und legte ihr die Hände ans Gesicht. » Du weißt genau, dass du getötet hast, weil es für dich ums Überleben ging. Nicht mehr und nicht weniger.« Er küsste sie zärtlich auf die Stirn. » Das weißt du selber ganz genau. Was du dich fragst, was du wissen musst, ist, ob es mir Spaß gemacht hat, die Männer zu töten, die Marlena ermordet haben.«
» Für sie hätte es sonst keine Gerechtigkeit gegeben. Sie hatten sie getötet– hatten sie misshandelt und getötet, nur, um dir eins auszuwischen– und sie waren einflussreiche Männer in einer korrupten Zeit. Niemand wäre für sie eingetreten. Niemand
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