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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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erinnert und ihn einfach in das neue Zimmer gelegt, ohne etwas zu sagen.
    Er sah Johanna Louise vor sich. Immer wieder zog er ihr den Zahn heraus. Immer wieder ließ ein Schluchzen seinen Brustkorb erbeben.

5
    Tony Gianelli hatte es geschafft, seine Nachbarn mit seinem Charme in weniger als einer Woche für sich zu gewinnen. Er hatte etwas von dem geschniegelten Schwiegersohn, von dem Mütter träumen. Gleichzeitig strahlte er etwas typisch Amerikanisches aus, eine Lässigkeit und Unkompliziertheit. Gleich nach dem Einzug hatte er bei seinen Nachbarn an der Tür geläutet, sich vorgestellt, zu einem kleinen Willkommensdrink eingeladen und sich anschließend erboten, jederzeit zu helfen, falls es etwa bei einem PC Probleme gebe.
    Die Sydney Street in South Kensington war eine stille Straße, in der ausschließlich Menschen wohnten, die es im Leben geschafft hatten. Die Wagen, die am Straßenrand parkten, waren sauber und gepflegt.
    Tony Gianelli hatte das Haus als Untermieter von Amerikanern übernommen, die für ein paar Jahre in die USA zurückgekehrt waren. Der Mann war bei der amerikanischen Handelskammer in London gewesen.
    Alle Häuser an der Sydney Street sahen einander ähnlich. Es waren schmale, Wand an Wand gebaute dreistöckige Häuser. Jedes Haus hatten einen kleinen Garten, einen englischen Garten von nur ein paar Dutzend Quadratmetern Größe. An der Rückseite verlief eine Gasse, Stewart’s Grove, die für zwei Autos zu schmal war. Dort waren die Garagen.
    Tony Gianelli hatte sein Haus enthusiastisch gerühmt, ebenso die Umgebung. So habe er sich London schon immer vorgestellt. Es sehe wahrhaftig aus wie im Kino. Sein Haus, Nummer 31, hatte eine naturbelassene Holztür. Es wirke beinahe ein bißchen skandinavisch, könnte aber ebensogut kalifornisch sein. Ja, er komme aus Kalifornien. Schließlich kämen nicht alle amerikanischen plaster cats aus New York!
    Sein Versprechen, notfalls bei Problemen mit Computern zu helfen, wurden von den Nachbarn schnell in Anspruch genommen, da neuerdings jeder einen im Hause hat. Schließlich waren Computer in. Und Tony Gianelli erwies sich schnell als eine Art Zauberer und gutgelaunter, stets zu Scherzen aufgelegter Pädagoge. Er ließ alles so einfach und überdies einigermaßen begreiflich erscheinen. Immerhin hatte er einen Master of Science in Computerwissenschaft, hatte ein hübsches Diplom der UCSD, das er schon im Hausflur an die Wand genagelt hatte. Überdies verstand er sich gut auf Sprachparodien. Engländer halten es generell für eine Parodie, wenn jemand amerikanisch spricht. Seine Imitation von Robert de Niros »Talking to me?« sowie einige Repliken Marion Brandos aus dem »Paten« waren ein großer Erfolg.
    Schon nach einer Woche war er in dieser Gemeinschaft ein Nachbar wie jeder andere.
    Und genau das, in Wahrheit nur das, war Luigi Bertoni-Svenssons erster Auftrag gewesen. Paß dich deiner Umgebung an, werde der nette amerikanische junge Mann. Es kann sein, daß du die Freundschaft und das Vertrauen deiner Nachbarn noch brauchen wirst.
    Doch Luigi brauchte diese Woche auch, um seiner Rolle den letzten Schliff zu geben. Er sollte die Identität eines anderen Menschen übernehmen. Tony Alfredo Gianelli, der Name, der in seinem amerikanischen Paß stand, existierte. Der Paß war insofern echt, als daß er von einer amerikanischen Behörde ausgestellt und somit nicht gefälscht war. Luigi war dem Mann sogar begegnet, aber sie hatten sich nicht unterhalten können. Tony Alfredo Gianelli lag nach einem Autounfall auf der Autobahn zwischen Pasadena und Los Angeles im Koma.
    Luigi hatte sogar Tonys Eltern kennengelernt. Der Legende zufolge waren es jetzt Luigis Eltern. Sie sollten einander sogar Briefe schreiben, echte Briefe.
    Die Eltern waren Einwanderer der zweiten Generation aus der Gegend um Neapel und sprachen noch ein einigermaßen begreifliches Italienisch, obwohl Luigi als Mailänder der Ansicht war, daß es sich zur Hälfte wie Arabisch, zur Hälfte wie ein amerikanisches Italienisch anhörte. Ihr Sohn Tony, so die Eltern, beherrsche im Italienischen nur die gängigsten Alltagsworte und Redensarten. Folglich war dies jetzt eines von Luigis Merkmalen: Er durfte des Italienischen kaum mächtig sein.
    Die Eltern lebten an der Armutsgrenze. Sie hatten einen Gemüseladen in Del Mar, gleich nördlich von San Diego, sowie fünf Kinder, die es im Leben unterschiedlich weit gebracht hatten. Der jüngste Sohn, der Augapfel der Eltern und ihre Hoffnung auf

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