Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Situation ganz anders deuteten als er selbst. Außerdem waren sie vier gut bewaffnete Menschen. Es blieb allerdings die Frage, ob die sibirischen Pferde diese Überlegenheit an Feuerkraft mit der gleichen Zuversicht betrachteten.
    Doch da kein anderer Mann des Trupps auch nur das mindeste Zeichen von Unruhe aufwies, breitete Carl die Arme aus und murmelte, Einsätze für den sogenannten Weltfrieden müßten offenbar nicht nur mit ständigen Schmerzen, sondern auch damit verbunden sein, daß man sich von Wölfen verfolgen lasse.
    Als sie eine Stunde später an einem Wasserfall Rast machten, bat Carl um eine Erklärung.
    Sascha zufolge war der Wolf das intelligenteste Tier Sibiriens. Wer glaube, daß Hirsch oder Schneeleopard die cleversten seien, irre sich, der Wolf sei tausendmal cleverer.
    Die Wölfe hätten nur einen Feind, von dem sie immer gejagt worden seien, natürlich den Menschen. Bei der sibirischen Methode der Wolfsjagd zäunte man ein Gebiet mit Stoffetzen und Wolfsflaggen ein und durchkämmte es dann Sektor für Sektor mit Treibern. Damit wollte man die Wölfe auf eine Schützenkette zutreiben, doch die Wölfe entschieden sich fast ausnahmslos dafür, sich möglichst dicht hinter den Treibern zu halten. Das war der sicherste Ort. Natürlich gab es verschiedene Lösungen dieses Problems, etwa eine zweite Treiberkette und anderes. Das, was die Wölfe jetzt taten, paßte gut zu ihrem Verhalten, zumindest wenn sie erfahrene Leittiere hatten. Merkwürdig war nur, daß der Leitwolf den Spuren nach zu schließen nicht älter als drei oder vier Jahre zu sein schien, aber diese Technik dennoch bereits beherrschte. Sascha und Valerja hatten um einen Dollar gewettet, und Sascha hatte verloren. Er hatte nicht an einen so jungen Leitwolf glauben können. Jedenfalls hatten sie aufgrund der Wette eine Zeitlang nach hinten gespäht, nicht etwa aus Angst vor dem Wolf, denn beide waren sich bewußt, wer hier wen fürchten mußte.
    Es war ein heißer, völlig schneefreier Nachmittag, als sie zu ihrem Basislager zurückkehrten. Die Mongolen arbeiteten immer noch an dem Häuschen, das bis zum Abend fertig werden sollte.
    Carl mußte sich eine Weile konzentrieren, bis er die Zähne zusammenbiß und sein eingeschlafenes rechtes Bein nach hinten verfrachtete, so daß er es mit der rechten Hand packen und über den Pferderücken zerren konnte. Dann legte Carl sich hin, ließ das Gesicht von der Sonne bescheinen und schloß die Augen.
    Er war frustriert, doch sein schmerzender Körper war nur ein kleiner Teil der Ursache.
    Der Jagderfolg, der jetzt dadurch illustriert wurde, daß Sascha und Valerja stolz den russischen und mongolischen Kameraden im Lager zwei Steinbocksköpfe zeigten, interessierte Carl wenig. Am Tag nach dem Schneesturm waren sie in einer weißen Landschaft aufgewacht, auf die eine strahlende Sonne herabschien, die schnell die Schneedecke wegfraß. Nur wenige Stunden später hatten sie eine neue Steinbockherde von mehr als siebzig Tieren entdeckt. Diesmal war natürlich Jurij an der Reihe gewesen, und alles war gutgegangen. Somit hatten sie schon nach wenigen Tagen je einen Steinbock geschossen. Doch diese Jagd war für Carls Reise nach Sibirien nur der Vorwand. Wenn er es nie schaffte, mit Jurij Tschiwartschew allein zu sein, wäre die ganze Expedition sinnlos oder, was noch schlimmer war – dann entfielen alle Entschuldigungen zur Ermordung dieses Steinbocks, der ja nicht die geringste Schuld an einigen verrückten russischen Vorhaben mit der britischen Rüstungsindustrie trug.
    Jurij Tschiwartschew ging mit zwei Bierdosen in den Händen zu Carl, setzte sich und reichte ihm eine Dose. Carl nahm sie dankbar entgegen.
    »Deutsches Bier?« fragte er erstaunt, als er nach einigen kräftigen Schlucken das Etikett der rot-weißen Dose las.
    »Richtig, deutsches Bier«, erwiderte Jurij Tschiwartschew.
    »Das ist auch biznizz. Man muß zwei Dollar pro Dose bezahlen. Die Jäger-Aktiengesellschaft der Republik Altaj, oder wie sie sich jetzt nennen, kauft es für einen Dollar pro Dose. Folglich ist der Gewinn ein Dollar.«
    »Nein, das stimmt nicht ganz«, wandte Carl lächelnd ein.
    »Du mußt noch den Transport vom Hersteller dazurechnen, Benzinkosten, Arbeitskraft, Pferdefutter, was auch immer. Der Gewinn dürfte nicht mehr als einen halben Dollar betragen, aber auch das ist noch ganz hübsch.«
    »Die Wege des Kapitalismus sind unerforschlich«, brummte Jurij Tschiwartschew. »Besonders die des russischen

Weitere Kostenlose Bücher