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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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willkommen heißen muß. Ihr seid die einzigen, die in der ganzen Bude korrekt gekleidet sind. So ist das, und jetzt nehmen wir einen zur Brust, obwohl es nur so ein verdammter Sherry ist. Prost!«
    Carl und Tessie prosteten angestrengt.
    »Hast du übrigens Unterhosen darunter?« fuhr die Herzogin mit etwas zu hoher Stimme fort, die einige Gäste in der Nähe zu treffen schien, als hätten sie einen Peitschenhieb in den Rücken erhalten.
    »Es gibt Fragen, auf die ein Gentleman nicht antwortet«, entgegnete Carl gemessen. »Ich bin überzeugt, daß Euer Gnaden nicht die Absicht haben, sich der Wahrheit in diesem Punkt zu vergewissern.«
    Die Umgebung ließ ein, wie man es nicht anders nennen konnte, mitfühlendes und diskretes Lachen hören, obwohl ein diskretes Lachen in dieser Umgebung nicht diskret war.
    In diesem Moment kehrte der Herzog von Hamilton zurück. Er trug einen Kilt mit Uniformjacke als Oberteil.
    Der Herzog steuerte direkt auf sie zu und schien aufrichtig guter Laune zu sein.
    »Lieber Ehrengast«, begann er, hielt inne und machte eine leichte Verbeugung, »ich sehe zu meiner großen Freude, daß Sie sich genau so gekleidet haben, wie die Sitte es vorschreibt. Ich bitte um Entschuldigung dafür, Sie nicht darüber informiert zu haben, daß ich der einzige verflixte Herzog in dem ganzen verflixten Schottland bin, wie meine Frau zu sagen pflegt, der den traditionellen Stil nicht pflegt.«
    »Ich habe soeben erfahren, daß Sie nicht einmal auf die Jagd gehen. Das freut mich, das tue ich auch nicht«, warf Carl ein. Er fühlte sich plötzlich sehr erleichtert.
    Der Herzog nahm Carl und Tessie zu einem kleinen Rundgang unter den übrigen Gästen mit und stellte sie recht formlos vor. Da der Kilt am Herzog so perfekt saß, saß er jetzt an Carl ebenso perfekt. Überall hieß es Lord Soundso und Sir Soundso, und einer der Herren war offenbar Bruder des Herzogs und Minister für schottische Angelegenheiten oder etwas Ähnliches, und bei den Damen hieß es Lady Soundso und Lady Soundso. Nur der Verleger und dessen Frau hatten es offenbar noch nicht geschafft, geadelt zu werden.
    Das Essen wurde in einem sehr schönen Raum serviert, den Carl und Tessie bei ihrem Rundgang noch nicht gesehen hatten. Die Wände waren mit vergoldetem Leder in einer warmen rot-goldenen Farbe tapeziert. Decke und Paneele waren weiß gestrichen, und an einer Längswand befand sich ein offener Kamin aus kunstvoll bearbeitetem weißem Marmor. Das Feuer brannte, und darüber hing ein Ölgemälde, das einen Reiter in rotem Rock auf einem schwarzen Pferd beim Sonnenuntergang zeigte. An der gegenüberliegenden Wand hing ein wertvolles Bild einer Ansicht Venedigs aus dem achtzehnten Jahrhundert. An den Wänden brannten Kerzen, während der golden schimmernde antike Kronleuchter über dem Eßtisch modernisiert war und Glühbirnen enthielt. Die Abenddämmerung fiel durch große Fenster am kurzen Ende des Raums in den Saal.
    Tessie, die vom Herzog zu Tisch geführt worden war, erkannte erst nach einiger Zeit, daß sie ihre Vorurteile nicht mit allzu großem Erfolg bekämpft hatte. Die Umgebung und die Titel hatten ihr einen ganz entschiedenen Eindruck von Überheblichkeit und steifer Atmosphäre vermittelt. Doch davon bestätigte sich so gut wie nichts. Es wurden keine langatmigen Reden gehalten, das Essen war nicht mit Ritualen verbunden – so wurden beispielsweise keine Toasts in einer bestimmten Reihenfolge ausgebracht. Niemand führte den Suppenlöffel auf manierierte Weise zum Mund. Niemand mußte sich darauf konzentrierten, mit wem er Konversation machen sollte oder nicht. Obwohl nicht alle Gäste einander kannten, wurde die Stimmung schnell familiär und entspannt.
    Die Unterhaltung wechselte ungezwungen von Thema zu Thema. Dabei ging es um alles mögliche mit Ausnahme der Skandale des englischen Königshauses. Das erstaunte Tessie, da sie bisher keine einzige Zeitung gesehen hatte, in der es nicht hauptsächlich um Prinz Charles oder Lady Di oder Fergie oder um Nacktfotos von Di oder Gymnastikbilder von Fergie gegangen wäre – oder war es umgekehrt? Schließlich fragte sie Angus, ob diese Skandale nur ein Steckenpferd der Presse seien, denn hier und jetzt habe sie den Eindruck, als existiere das alles gar nicht.
    Angus erwiderte trocken und humorvoll, sie befänden sich in Schottland, und was die anmaßenden Engländer trieben oder ließen, sei von absolut nachrangigem Interesse. Da erinnerte sich Tessie an die Geschichte von dem

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