Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
aufstöhnte.
Das war ihr Spiel, sich gegenseitig so lange zu reizen und zu erregen, bis es an Folter grenzte. Sie zögerte es stets so lange wie möglich hinaus, denn das waren die Augenblicke, die sie sich ins Gedächtnis rief, wenn sie ihren Körper der Lust anderer Männer hingab. Raymond war dann derjenige, den sie vor sich sah, an dessen Berührungen und Zärtlichkeiten sie dachte. Und das machte ihre Arbeit erträglich.
Sie kannte keinen Mann, der die Kunst des Vorspiels so sehr genoss wie Raymond. Er konnte Stunden damit zubringen, seine Finger über ihren zitternden Unterleib tanzen zu lassen, sich in immer engeren Kreisen der Stelle anzunähern, die Erleichterung verschaffen würde – und sich dann trotzdem im letzten Moment wieder zurückzuziehen und darüber zu lachen, wie sich ihr Körper aufbäumte und sich ihm zuwandte.
Und sie revanchierte sich mit Händen und Lippen. Bis beide den Punkt erreichten, an dem sie es nicht mehr aushielten und die Vereinigung alles war, was noch blieb, um die letzte, höchste Lust herbeizuführen. La petite mort , der kleine Tod, wie ihre Mutter dazu gesagt hatte. Und wie passend, wenn sie danach erschöpft dalagen, wenn die Berührung der Laken schon fast zu viel war für sie, wenn sie so erschöpft waren, dass sie beinahe in Lethargie verfielen.
Florence hatte nie solch intensive Befriedigung gefunden. Sie liebte Raymond. Davon war sie felsenfest überzeugt. Aber ebenso war ihr klar, dass es mit ihren gemeinsamen Nächten sofort vorbei wäre, wenn sie ihre Gedanken auch nur einmal laut aussprechen würde. Es lag nicht daran, dass sie eine Hure war. Ihr Beruf hatte nichts damit zu tun. Raymonds Widerwille ging viel tiefer. Er würde es niemals zulassen, sich seine Gefühle für sie einzugestehen, und er würde niemals die Verantwortung auf sich nehmen, wenn sie ihm offenbarte, was sie für ihn aus tiefstem Herzen empfand.
Als sie ihn lächelnd ins Schlafzimmer führte, spürte sie den vertrauten Schmerz in ihrem Herzen. Sie würde sich mit diesem Augenblick, mit dieser Nacht zufriedengeben müssen, was jedoch mehr war, als die meisten Frauen jemals erlebten – wie sie aus ihrer Erfahrung mit deren ungeschickten Ehemännern wusste. Selbst wenn es ihre letzte gemeinsame Nacht sein sollte, hätte sie wirklich geliebt.
Sie knöpfte sein Hemd auf, das von seinem Körper glitt, dann löste sie ihm den Gürtel. In einer einzigen, fließenden Bewegung trat er aus den Schuhen und der Hose, sie kniete sich hin, um ihm seine Shorts auszuziehen, ließ dabei ihre Finger über die dunkle Narbe streichen, die sich über den unteren Bereich seines Rückens, die rechte Hinterbacke und S-förmig über den Oberschenkel zog. Das Metall war noch immer zu spüren. Sie küsste die Stelle.
»Es tut nicht mehr weh«, sagte er. Sie wusste, dass er log. Wieder küsste sie die Narbe, dann wandte sie sich den Stellen zu, die ihn nicht an den Krieg oder an das erinnerte, was er in Europa verloren hatte.
Er packte sie am Haar, massierte ihr den Kopf, und wahre Freude durchströmte sie, als er vor Lust laut aufstöhnte. Diese Nacht würde ihr genügen. Sie würde dafür sorgen.
Kay-ie!
Mit klopfendem Herzen wachte Raymond neben Florence auf. Er hatte von Antoine geträumt. Froh, sie nicht geweckt zu haben, zog er ihr das Laken über die Hüfte. Florence schlief gern nackt an ihn gedrückt, aber es war kühl geworden. Eigentlich hatte er die Nacht nicht hier verbringen wollen, doch Schlaf fand er nur, wenn er neben ihr lag. Ihr warmer Körper und die sanften Bewegungen ihres Brustkorbs trösteten ihn mehr, als er sich eingestehen konnte. Aber noch nicht einmal Florence schützte ihn vor der Vergangenheit, vor dem Menschen, der er war.
In seinem Traum hatte Antoine am Bett gestanden. Raymond hatte die Hand nach ihm ausgestreckt und ihn um Verzeihung bitten wollen, aber Antoine war einfach in die Nacht entschwunden. Dann hatte er den Ruf des Falken gehört. Er setzte sich auf. Im Mondlicht, das durch das Fenster fiel, sah er das Blut auf Florence’ Kissen. Er blutete aus dem Trommelfell. Das war nichts Neues. Sie hatte sich nie beschwert, hatte ihn nie gefragt, und jedes Mal, wenn er zu ihr kam, war der Bettbezug wieder rein und weiß.
Er beobachtete das Heben und Senken ihres Brustkorbs. Ihre Brüste waren schwer und üppig, wie gemacht für einen Mann. Ihre Haare, eine dunkle Lockenpracht, waren über das Kissen gebreitet. Die schmale Narbe in ihrem Gesicht unterstrich nur ihre
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