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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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oder zu Boden zu ringen, wenn sie ihn lebend fangen wollten. Das Fleisch verlor seinen intensiven Wildgeschmack, wenn der Eber kastriert und mehrere Wochen lang mit Mais oder Getreide gefüttert wurde, bevor man ihn schlachtete. Außerdem war es natürlich ein ungeheurer Nervenkitzel, wilde Eber lebend zu fangen.
    Häufig wurden die Hunde von den scharfen Hauern aufgeschlitzt, selbst die Jäger, die die Wildschweinjagd als Sport betrieben, kehrten manchmal nicht lebend zurück. Hatte ein Eber einen Menschen zu Fall gebracht, vergeudete er nicht viel Zeit, um sein Opfer zu töten. Wildschweine waren eine gefährliche Beute, sowohl für die Hunde als auch für die Jäger. Clifton Hebert verdiente sich seinen Lebensunterhalt, solche Jagden anzuführen.
    Natürlich war Raymond nicht entgangen, dass Henri Bastions Wunden von scharfen Hunden stammen konnten. Oder von Ebern. Clifton würde nachweisen müssen, wo er sich in der Nacht von Henri Bastions Tod aufgehalten hatte.
    Noch andere Dinge nagten an ihm. Zum einen Rosa Hebert. Wie war es möglich, dass eine Familie so viel Unglück auf sich zog? Sein Mitgefühl für Adele und Rosa und nicht zuletzt seine Verdachtsmomente bezüglich Armand Dugas hatten verschlungene Gedankengänge zur Folge gehabt. Seine Anfragen im Staatsgefängnis in Angola waren unbeantwortet geblieben. Seine Bitte, ihm eine offizielle Liste der Sträflinge zu schicken, die zur Arbeit auf der Bastion-Farm entsandt worden waren, hatte bei dem Wärter, der den Anruf entgegennahm, nur Gelächter hervorgerufen.
    Seltsamerweise aber war es nicht Henri Bastions übel zugerichteter Leichnam, der ihm nicht aus dem Sinn wollte, sondern Henris Tochter und wie sie an der Fliegentür gestanden hatte. Ganz offensichtlich hatte sie eine Heidenangst vor ihm gehabt.
    Er schloss die Augen. Er musste beim ersten Tageslicht auf sein. Er hatte seinen Wagen in der Stadt gelassen und war, ihres und seines Rufes wegen, zu Fuß gekommen. Einige ihrer Freier würden es nicht gern sehen, wenn sie wüssten, dass der Deputy bei ihr ein und aus ging. Und einige in der Stadt würden es ebenso wenig gutheißen, wenn sie wüssten, dass er mit Florence Umgang pflegte. Am besten war es also, sich diskret zu verhalten.
    Außerdem stand Arbeit an. Umso früher, desto besser. Er schloss die Augen und zwang sich einzuschlafen.

9
     
     

     
     
     
     

     
    ichael Finley lockerte ein wenig den gestärkten Priesterkragen. Er hatte im Sommer an Gewicht zugelegt, die kalte Jahreszeit würde allerdings schon wieder dafür sorgen, dass er abnahm. In diesem Rhythmus bewegte sich sein Körper – er aß und trank und genoss die Zeit an den heißen Tagen, in denen das Nachmittagsschläfchen eher eine Notwendigkeit denn eine Sünde war. Im Winter hackte er Holz und fand körperliche Betätigung angenehmer – wenn in diesem Jahr die kalte Jahreszeit denn überhaupt kommen würde. Der November stand vor der Tür, und bis auf das Unwetter vor wenigen Tagen hatte sich bislang noch nicht einmal ein kühles Lüftchen geregt. Was gut war für das Zuckerrohr und die Mücken, aber anstrengend für die Menschen.
    Er machte sich eine Tasse starken Louisiana-Kaffee, der mit bitteren Zichorien versetzt war. Seit Kriegsausbruch war richtiger Kaffee nur schwer zu bekommen, wenn es allerdings darum ging, sich mit Ersatzstoffen zu begnügen, war die Bevölkerung von Iberia dem Rest des Landes weit voraus. Die Siedler in den hiesigen Sumpfgegenden, seit jeher an Abgeschiedenheit gewöhnt und auf Selbstversorgung angewiesen, zogen Zichorienkaffee richtigem Kaffee vor. Es hatte etwas gedauert, bis sich der Priester an die Cajun-Mischung gewöhnt hatte, aber jetzt liebte er das mit heißer Sahne abgerundete Getränk. Er ging mit der Tasse durch die Hintertür der Küche hinaus in seinen Rosengarten.
    So sehr er sich auch bemühte, er konnte es nicht vermeiden, zum schmiedeeisernen Zaun zu sehen und der wunderbaren Eiche dahinter. Beim Gedanken an Rosa Hebert drohten ihn wieder Schuldgefühle zu überwältigen. Sie hatte gewusst, wie sehr er seinen Garten und diesen Baum liebte. Ebenso hatte sie gewusst, dass er sie verraten hatte. Deshalb hatte sie für ihren Selbstmord diesen Baum gewählt.
    Er stand vor einer Fire-and-Ice-Rose und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Als Erstes sollte er Gott um Vergebung bitten. Wegen Rosa, die Schmerzen und Qualen erlitten hatte. Sie hatte ihm niemals Böses tun wollen. Seine eigene Schwäche war der Grund für sein Gefühl

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