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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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genug war, um sie zu riechen, dann hatte die Schlange ihn gesehen. Hinter ihm plumpste etwas Großes ins Wasser. Er konnte nur beten, dass es eine Schildkröte und kein Alligator war. Ein Mückenschwarm summte um seinen Kopf, wovon er sich aber nicht ablenken lassen durfte. Die Schlange war eine Gefahr, die seine gesamte Aufmerksamkeit erforderte.
    Sein Blick wanderte vom Stamm, der vor ihm lag, zu einem Laubhaufen und toten Ästen, einem Scuppernong-Weinstock, bei dem sich kurz sein Herzschlag beschleunigte. Die Schlange, durch ihre Farbe so gut wie unsichtbar, war unmöglich zu entdecken. Er wagte sich nicht zu bewegen, bevor die Schlange sich nicht bewegte. Manche Arten wie Klapperschlangen stießen eine Warnung aus und schlugen nur zu, wenn sie sich provoziert und verängstigt fühlten. Mokassins aber waren aggressiver. Die verdammten Viecher hingen manchmal an Bäumen und warteten nur darauf, dass sie sich auf die Schultern ihrer Opfer fallen lassen konnten.
    Zum Glück war das Wasser zu beiden Seiten des Pfads ruhig und still. Bei Überflutungen und starker Strömung hatte er bis zu zwei Dutzend Mokassins gesehen, die zu einer Kugel zusammengeballt durch das Wasser trudelten. Hier, im bewegungslosen Wasser, sollte das charakteristische V in der gekräuselten Oberfläche, das die gemächliche Zickzack-Bewegung der Schlange verriet, leicht zu erkennen sein. Doch im Wasser spiegelte sich nur, unbeeinträchtigt von irgendeiner Bewegung, die Sumpflandschaft. Er lenkte den Blick auf den Boden vor sich.
    Der Gestank war stark. Er musste das Tier an diesem warmen Oktobermorgen beim Sonnen geweckt haben. Er sah hinter sich und hoffte, über das Reptil bereits hinweggeschritten zu sein. Er hatte seine Waffe gezogen und entsichert, würde aber die Machete vorziehen, die er einzig und allein zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Vor seinem Aufbruch hatte er noch die entsprechenden Sachen eingepackt, die er für den Weg durch die Sümpfe brauchte.
    Endlich entdeckte er das Tier. Es lag kaum einen Meter vor ihm und war so dick, dass er es für einen abgestorbenen Ast gehalten hatte. Es beobachtete ihn, völlig regungslos, und wartete, dass er einen Schritt machte, damit es zuschlagen konnte.
    Er tat einen Schritt nach vorn, gleichzeitig hieb er der Schlange mit einem einzigen Schlag den Kopf ab. Als er sich wieder aufrichtete, starrte er in das geöffnete Maul eines mächtigen Hundes. Die Lefzen waren zu einem lautlosen Knurren verzogen. Er hatte kein Geräusch von sich gegeben, als er sich genähert hatte. Ein Ohr fehlte, Narben zogen sich über die Schnauze und den übrigen Körper, manche davon mussten von ernsthaften Verletzungen stammen, die notdürftig genäht worden waren.
    Er senkte den Blick. In der Armee hatte man ihm beigebracht, Hunden nie unverwandt in die Augen zu starren und sie damit herauszufordern. Er hätte ihn erschießen können, aber das wollte er nicht. Er war, daran bestand kein Zweifel, auf Clifton Heberts Versteck gestoßen, und er wollte den Trapper nicht gegen sich aufbringen, indem er seinen Hund tötete.
    »Cesar!« Die Stimme hallte zwischen den Bäumen wider, so dass Raymond nicht einschätzen konnte, woher sie kam. »Komm her, du.«
    Der Hund trottete in den Sumpf zurück. Es sah aus, als würde er übers Wasser laufen.
    »Clifton Hebert!«, rief Raymond den Namen des Mannes. »Hier ist Deputy Raymond Thibodeaux. Ich muss mit Ihnen reden. Ihre Schwester steckt in ernsthaften Schwierigkeiten.«
    »Rosa ist tot, und wenn Bernadette Hilfe und noch mehr Geld braucht, dann sagen Sie ihr, sie kann mir den Arsch küssen, sie.«
    Die Antwort verblüffte Raymond. »Es geht um Adele«, brüllte er.
    Ein lauter Fluch, gefolgt von einem Platschen, als würde jemand durchs Wasser waten, ohne sich um irgendwelche Gefahren zu kümmern. Als Raymond den Trapper erblickte, stand dieser bis zur Hüfte im schwarzen Sumpf, das Gewehr hoch über den Kopf erhoben, und näherte sich in gleichmäßigem Tempo. Raymond, in Iberia aufgewachsen, wusste, dass Leute, die durch den Sumpf wateten, oft genug starben, weil sie es an der nötigen Vorsicht mangeln ließen. Clifton schien davon völlig unbeeindruckt zu sein.
    »Was ist mit Adele, dieser Närrin?«, kam es von Clifton, der noch immer dreißig Meter entfernt war. Raymond war von dessen Körperbau beeindruckt. Er musste an die zwei Meter groß sein und hatte Schultern so breit wie ein Türrahmen. Das schwarze Haar, verfilzt und nass, hing ihm bis zur Hüfte. Obwohl es

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