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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ein warmer Tag war, trug er eine dunkelgrüne, langärmelige Jacke mit ausgebeulten Taschen.
    »Sind Sie taub?«, rief Clifton, als er noch zehn Meter entfernt war. »Was ist mit meiner Schwester?«
    »Sie ist sehr krank. Ich hab sie zu einer traiteuse gebracht.« Raymond wollte ihm nicht erzählen, dass Adele im Gefängnis gewesen war.
    Clifton kam aus dem Wasser und erklomm den Pfad. Er war wirklich ein Riese. Raymond war nicht klein, aber er musste zu Clifton aufschauen.
    »Was stimmt mit Adele nicht? Und warum sind Sie hier? Um mir das zu erzählen? Polizisten bringen normalerweise keine Krankmeldungen.« Er sah ihn finster an. »Warum sind Sie hier, Deputy Thibodeaux?«
    Als hätten sie den Stimmungswechsel ihres Herrn gespürt, tauchten drei große Hunde aus dem Wald auf, unter ihnen der einohrige Mastiff. Keiner gab auch nur einen Laut von sich, ihre gefletschten Zähne waren auch so beeindruckend genug.
    Raymond konzentrierte sich ganz auf Clifton. »Henri Bastion ist vor zwei Tagen umgebracht worden. Man hat Adele bei der Leiche gefunden. Sie sagt, sie hätte ihn getötet.«
    Clifton rührte sich nicht, nicht die geringste Überraschung zeichnete sich auf seiner Miene ab. »Geht mich nichts an.«
    »Adele ist Ihre Schwester.«
    Er schüttelte den Kopf. »Daran kann ich nichts ändern. Adele trauert um ihre Kinder. Sie tickt nicht ganz richtig.«
    »Sie behauptet, vom loup-garou besessen zu sein.« Der Sumpf um ihn herum war so still, dass er ein fallendes Blatt hätte hören können, wenn es die Wasseroberfläche berührt hätte. Ein magischer und gefährlicher Ort.
    »Die Leute glauben eine ganze Menge.« Seiner Miene war nicht zu entnehmen, ob er sich darüber lustig machte.
    »Sie hat hohes Fieber. Sie halluziniert.«
    Clifton seufzte. »Sie hat die Kinder durchs Fieber verloren. Hat sie schwer mitgenommen. Hat sich nicht helfen lassen. Dann hat sie sie begraben, sie und Rosa, wo keiner sie mehr stören kann. Hat Rosas Leichnam abgeholt, als die Kirche ihn nicht haben wollte.«
    Der Gestank, den Clifton verströmte, war beinahe unerträglich. Raymond hatte zu tun, sich nichts anmerken zu lassen. »Sind Sie sich sicher, dass es das Fieber war, an dem die Kinder gestorben sind?«
    Eine Weile lang sah Clifton ihn nur an und schien sich die Frage durch den Kopf gehen zu lassen. »In der ersten Oktoberwoche, da hat Adele mir ausrichten lassen, ich soll ihr Kräuter und ein paar Sachen bringen. Die Kinder waren krank. Haben schon im Sterben gelegen. Hab’s selbst gesehen, ich. War nichts zu machen. Nicht mal Madame hat helfen können.«
    »War Adele auch krank?«
    Clifton kratzte sich am Kopf. »Nein. Sie war ganz durcheinander. Ist rumgerannt, hat geweint und gejammert und darum gefleht, dass die Kinder wieder gesund werden. Sie hat Bernadette um Hilfe gebeten, aber was passiert ist, das kann keiner ändern. Und als die Kinder tot waren, hat sie sie in den Sumpf gebracht, wo sie schon Rosa beerdigt hat.« Er sah zu den Hunden, die sich sofort setzten. »Hat Adele ziemlich mitgenommen, dass man Rosa nicht auf dem Kirchfriedhof begraben hat.«
    »Mr. Hebert, hätten Sie was dagegen, mit in die Stadt zu kommen und mit mir zu reden?«
    »Ja. Ich hab dort nichts zu schaffen.«
    Die Hunde erhoben sich und näherten sich drei Schritte. Ihr Nackenfell war gesträubt.
    »Ich werde Sie auch wieder zurückbringen.« Raymond spürte, wie Wasser durch seine Lederstiefel sickerte. Sie waren das Einzige von der Army, das es wert war, behalten zu werden. Die Hitze war erdrückend, der Geruch des fauligen Sumpfwassers vermischte sich mit Cliftons strengem Körpergeruch.
    Der Trapper schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Warum nicht?« Raymond wusste, dass er hier mit Argumenten nicht weiterkam. Er hätte den Mann erschießen müssen, um ihm seinen Willen aufzuzwingen.
    »Ich bleib im Sumpf, außer ich hab woanders was zu schaffen.«
    Soweit Raymond wusste, hatte sich Clifton Hebert nie etwas zuschulden kommen lassen. Natürlich konnte in den zwei Jahren, in denen er fort gewesen war, alles Mögliche geschehen sein. Er hatte nicht daran gedacht, den Sheriff danach zu fragen – obwohl es wahrscheinlich sinnlos gewesen wäre, weil Joe zwei und zwei nicht zusammenzählen konnte, selbst wenn man es ihm an den Fingern vorrechnete.
    »Können wir uns irgendwo hinsetzen und reden?«
    Clifton zeigte auf den Boden. »Setzen Sie sich.« Er ging in die Hocke.
    Raymond kauerte sich hin. »Hören Sie, ich will Ihrer Schwester helfen. Ich

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