Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
heraus.
»Ich hab gehört, wie sie sich über ihren Streich amüsiert haben.« Erneut zog Marguerite an ihren Ohren. »Es sind abscheuliche Kinder.«
Beide Jungen schrien auf. Jolene trat vor und wollte dazwischengehen.
»Das geht Sie nichts an«, herrschte Marguerite sie an. »Ich versuche nur, ihre Seelen zu retten. Ihnen ist beigebracht worden, dass Lügen eine Art Zeitvertreib ist, dass Grausamkeiten gut sind und jeder sie fürchten und ihnen gehorchen soll.«
Der kleinere Junge sank auf die Knie, Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Mama, bitte, lass mein Ohr los«, schluchzte er.
Der Priester erhob sich, die Decken fielen von ihm ab. »Mrs. Bastion, lassen Sie die Jungen los.« Sie war wütend auf ihre Kinder, und auch der Priester spürte seinen brennenden Zorn. Aber es waren Kinder, die nicht wussten, was sie mit ihrem Streich angestellt hatten. Bei jemand anderem wäre es nur ein Halloween-Spuk gewesen. Sie konnten nicht wissen, welche Wunde sie damit bei ihm wieder aufrissen.
»Sie sind vom Teufel geschickt, um mich zu vernichten.« Marguerite trat von ihnen zurück. »Sie lügen und denken sich abscheuliche Geschichten aus. Ich werde sie noch heute in eine Besserungsanstalt schicken. Sie werden keinen Penny von Henris Geld bekommen. Keinen Penny!«
»Mrs. Bastion, es sind doch nur Kinder …« Jolene verstummte, als sie Marguerites Blick gewahr wurde, half den Jungen dann aber auf die Beine. »Geht in die Küche zu Colista, und wartet dort.«
Das musste man den Jungen nicht zweimal sagen. Ihre Schritte hallten durch den Flur. Vater Michael wandte sich an Jolene. »Mrs. LaRoche, Sie sind mir die größte Stütze in der Stadt. Durch Ihre Hilfe ist die schlimmste Zeit hier für mich erträglich geworden. Sie haben sich mir in den Zeiten größter Not als wahre Freundin erwiesen, aber ich muss mit Mrs. Bastion allein reden.«
Mit einem ernsten Nicken ging Jolene. Der Priester wandte sich an Henris Witwe. »Was immer diese Jungen getan haben, ich kann körperliche Gewalt nicht gutheißen.«
Marguerite atmete tief durch. »Sie haben ja keine Vorstellung. Die Jungen sind außer Rand und Band. Sie lügen und verbringen ihre Zeit damit, Böses auszuhecken. Henri hat ihnen immer alles durchgehen lassen, und ich muss es jetzt ausbaden. Mir graut vor dem Gedanken, was sie bislang schon alles angestellt haben – und was sie in Zukunft noch anstellen werden.« Tränen standen ihr in den Augen. »Sie müssen in eine Besserungsanstalt, zum Wohl ihrer Seelen, damit sie lernen, dass sie für ihre Taten büßen.«
Der Priester legte der Frau den Arm um die Taille. Er spürte, wie dünn sie war; sie hatte abgenommen, was ihr aristokratisches Aussehen noch mehr betonte. Das Geschlecht der Mandevilles ging bis auf das fünfzehnte Jahrhundert zurück, seit Hunderten von Jahren waren sie mit den Bourbonen verbunden. Vielleicht konnte Marguerite jetzt mit Hilfe ihres Namens und Einflusses dazu beitragen, dass Kultur und Zivilisation in der Gemeinde Einzug hielten.
»Die Jungen brauchen eine feste Hand, Marguerite. Das ist alles. Ich werde Ihnen dabei helfen. Die Gemeinde wird Ihnen helfen.« So viel war seit Henris Tod geschehen, dass er es nicht geschafft hatte, Marguerite die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. Sie war mit ihrer Verantwortung überfordert.
»Ich habe diese Jungen geboren, Vater. Sie sind mein eigen Fleisch und Blut. Aber es sind schlechte Kinder.«
»Die Jungen leiden unter dem grausamen Tod ihres Vaters. Das macht sie rebellisch und wütend. Ihr Streich …« Er deutete zum Fenster. »Er war grausam und brachte mich sehr auf, aber ich bin mir sicher, sie wussten nicht, was sie taten.« Er spürte, wie sie sich am ganzen Körper versteifte, aber er fuhr fort. »Es besteht keine Notwendigkeit, voreilige Maßnahmen zu ergreifen. Vielleicht könnten Sie sie jeden Tag zu mir bringen, damit ich sie anleite. Es würde mich freuen, mit ihnen zu reden. Vielleicht reisen Sie auch nach New Orleans, zu Ihrer Familie, damit Sie wieder ein zivilisierteres Leben genießen können.«
»Sie verstehen nicht, Vater Michael. Ich habe keinen Einfluss mehr auf sie.« Sie achtete nicht auf die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. »Sie sind zu allem fähig, schlichtweg zu allem. Henri hat ihnen alles erlaubt. Er hat gesagt, seine Söhne würden über die Gemeinde herrschen. Er hat ihnen beigebracht, dass sie keinerlei Konsequenzen zu fürchten haben.«
»Sie sind noch jung. So etwas kann korrigiert
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