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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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werden.«
    Marguerite ging zur Tür, mit dem Rücken zum Priester sagte sie: »Dann behalten Sie sie. Bringen Sie ihnen Manieren bei.« Langsam drehte sie sich um. »Henri hat sie nur zur Grausamkeit erzogen. Vielleicht kann die Kirche wiedergutmachen, was er angerichtet hat. Ich kann es nicht.«
    Damit ging sie durch den Flur und knallte hinter sich die Eingangstür zu.
    Wie betäubt blieb der Priester stehen, bis Colista an die Tür klopfte. Ihre Stirn war von Sorgenfalten überzogen. »Vater, die Jungen haben seit fast einer Woche keine Mahlzeit mehr bekommen. Soll ich ihnen was zu essen geben?«
    »Gewiss.« Er drehte sich um, damit sie sein Gesicht nicht zu sehen bekam. »Rufen Sie Joe Como an. Sagen Sie ihm, das Rätsel der Vogelscheuche ist gelöst. Und bitten Sie ihn vorbeizukommen, ich möchte mit ihm reden.«

16
     
     

     
     
     
     

     
    arguerite steuerte den Packard geradewegs zur Stadt hinaus in Richtung Baton Rouge. Raymond sah ihr hinterher und wunderte sich, was sie dazu getrieben hatte, davonzubrausen, als wäre ihr der Teufel höchstpersönlich auf den Fersen. Aber er war froh darum. Er hatte auf der Bastion-Plantage zu tun, und das sollte ihm umso leichter fallen, wenn sie nicht da war. Er konnte nur seiner Intuition folgen, und er hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Verzweifelt rief er sich ins Gedächtnis, dass Adeles Leben an einem seidenen Faden hing und ein kleines Mädchen in den Sümpfen vermisst wurde.
    Er wollte zur Plantage, weil Adele dort gearbeitet hatte – und dort vielleicht auch geschwängert worden war. Ein Ort also, an den sie möglicherweise zurückkehrte. Außerdem wusste er nicht mehr, wo er sonst nach ihr suchen sollte.
    Er parkte an einem Feldweg, der von den Lastern benutzt wurde, die das Zuckerrohr zur Raffinerie brachten. Der Sonnenschein wärmte seine Schultern, eine klebrige Süße lag in der Luft, während er über die Stoppeln ging, aus denen der Saft in die Erde sickerte. Er hielt sich am Rand der Felder im Schutz des Gestrüpps.
    Er hörte die Sträflinge, lange bevor er sie sah. Ihre Fußeisen, vom weichen Boden gedämpft, klirrten, ihre Macheten schnitten sich durch das Rohr. Er ging um das Feld herum und fand eine Stelle in einem Dickicht, von der aus er alles beobachten konnte. Veedal hatte sein Pferd in den Schatten gelenkt, in der Hand hielt er eine Blechtasse mit Wasser. Die Männer sahen kein einziges Mal auf. Sie arbeiteten im Rhythmus einer Maschine.
    Es wurde Mittag, bevor Veedal eine Pause gewährte. »Setzt euch in den Schatten«, befahl er. »Es gibt Wasser und was zu essen. Wenn ihr euch darum streitet und prügelt, bekommt der Verlierer zehn Peitschenhiebe. Der Sieger fünf.« Er gab seinem Pferd die Sporen und verschwand in einer der Zuckerrohrreihen.
    Die Männer trotteten in den Schatten, sie waren viel zu ausgemergelt, um über das Essen in Streit zu geraten. Raymond ging auf sie zu.
    Er hatte Männer gesehen, die viel zu sehr am Ende waren, um überhaupt noch Angst zu zeigen. Das letzte Mal hatte er dabei seinen Bruder verloren. Diese Männer waren dem Untergang geweiht, sie waren dazu verdammt, bei harter Arbeit in den Sümpfen zu sterben, wo sie ein flaches Grab finden würden, falls sie nicht von wilden Tieren gefressen wurden. Es gab keinen Grund, warum Raymond von ihnen Mitgefühl oder gar Hilfe erwarten konnte.
    »Ich suche Armand Dugas.« Er sah von einem zum anderen. »Wenn mir jemand helfen kann, dann kann ich ihm vielleicht ebenfalls helfen.«
    Einer der Sträflinge gab mit einem Schöpflöffel Essen auf die Blechteller, die in der Reihe nach hinten durchgereicht wurden. Ein verdreckter Brotklumpen ging von Hand zu Hand. Die Männer hielten den Blick auf das Brot gerichtet und beachteten ihn nicht. Sie schienen ausreichend ernährt zu werden. Marguerite musste nach seinem letzten Besuch einiges in die Wege geleitet haben.
    »Ich bin Deputy in Iberia. Ich kann euch nichts versprechen, aber ich könnte mein Wort für denjenigen einlegen, der mir hilft.« Sie sahen zu ihm, witterten seine Verzweiflung. Er drängte weiter. »Wenn Armand tot sein sollte, würde ich gern wissen, wie und warum er umgebracht wurde.«
    »Armand hat Glück gehabt«, kam es von einem großen Mann mit verfilzten blonden Haaren. »Er hat’s geschafft, von hier wegzukommen. Spielt keine Rolle, ob er jetzt tot ist oder noch lebt. Er ist frei.«
    Raymond nickte. »Armand ist nicht mein Problem. Sondern Adele Hebert.«
    Das weckte bei einigen Interesse, sie

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