Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
Ausschau.
»Adele hat, wann immer sie konnte, was zu essen gebracht. Das hat Veedal zwar nicht gefallen, aber es war für ihn auch die Möglichkeit, ihr nachzustellen. Er hat sich also nichts dabei gedacht, als sie in der Nacht kam. Der fette Dreckskerl hat sie begrapscht und küssen wollen. Aber Adele war schlau, sie hat ihm Whiskey mitgebracht, den hatte sie von Bastion gestohlen.« Daniel rieb sich den Knöchel, an dem ihm das Fußeisen die Haut aufscheuerte. »Sie hat mit ihm gespielt. Er hat den Whiskey getrunken, und zehn Minuten später ist er auf Händen und Knien wie ein Köter im Kreis gelaufen.«
Die Männer lachten.
»In dem Whiskey war Gift?«
»Muss wohl so gewesen sein, aber Adele war ziemlich durcheinander, als sie ihn so gesehen hat. Adele und die Missus, müssen Sie wissen, ziehen hinter dem Haus Kräuter, für die Medizin und so. Manchmal hilft einer von uns dort aus.« Er zuckte mit den Achseln. »Davon muss sie was genommen haben.«
Die Ketten rasselten. »Veedal hat wie eine Sau im Schlamm gegrunzt und gesabbert.« Der dürre blonde Mann grinste. »Hat völlig verrückt gespielt. Armand hat ihm dann eine Schaufel über den Schädel gezogen, dann war’s vorbei mit dem Grunzen und Sabbern.«
Daniel schaltete sich wieder ein. »Dann hat Adele den Schlüssel von der Wand geholt und Armands Ketten aufgeschlossen.«
Raymond konzentrierte sich auf das, was ihm die Männer erzählen konnten. Veedal musste jede Minute zurückkehren. »Nur Dugas’ Ketten?«
In die Reihe kam Unruhe, die Ketten klirrten.
»Sonst hat keiner gehen wollen. Wir würden im Sumpf nicht überleben.«
»Dugas ist also zu Fuß geflohen. Und was hat Adele gemacht?«
Er zuckte mit den Schultern. »Es ist ihr nicht gutgegangen. Sie hat gesagt, sie will nach Hause, zurück in den Sumpf. Ihr Bruder würde ihr Fisch und Fleisch bringen, und sie könnte zu Hause bleiben.«
»Glaubt ihr, dass Dugas es geschafft hat?«, fragte Raymond.
Wieder zuckte Daniel mit den Schultern. »Sie haben ihn tagelang gejagt. Wollten uns zwingen, dass wir was ausplaudern, aber da gab es nichts auszuplaudern. Armand war ein netter Kerl, aber er hat nie was von seinen Plänen erzählt. Wir hätten nichts erzählen können, auch wenn wir gewollt hätten.«
Eine Frage hatte Raymond noch. »Hatten Adele und Dugas etwas miteinander?«
Daniel lachte, die anderen prusteten. Er hielt seine Ketten hoch. »Ich bin seit zwei Jahren hier. Die Ketten werden nie abgenommen. Nie. Und Dugas war genau wie ich angekettet.«
»Und was ist mit Adele und Henri?«
Daniel schüttelte den Kopf. »Adele ist eine freundliche Frau. Wenn sie mit Henri Bastion geschlafen hat, dann nicht freiwillig.«
»Ich komme wieder, mal sehen, was sich machen lässt«, sagte Raymond noch und verzog sich hinter die Büsche. Um die kleine Erhebung, die das Herrenhaus verdeckte, tauchte Veedal auf seinem schweißüberströmten Pferd auf.
Der Aufseher schickte die Männer wieder an die Arbeit, und Raymond rannte zwischen den dicht stehenden Bäumen zum eine halbe Meile entfernten Haus. Die Zeit wurde knapp.
Bei jedem Schritt fuhr ihm ein stechender Schmerz in den Rücken. Schließlich zeigte sich zwischen den Bäumen das weiße Haus. Er mied den vorderen Bereich und lief geradewegs zur Rückseite, wo er nach einem Garten Ausschau hielt. Etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt hörte er das leise Summen von Bienen, das ihn zu einer dichten Azaleenhecke führte. Vorsichtig näherte er sich, bis er zwischen dem Laub die Bienenkästen entdeckte.
Dahinter fand er schließlich den dicht bewachsenen Kräutergarten. Einige der Pflanzen – Chili, Thymian, Basilikum, Dill – erkannte er als Alltagsgewürze für die scharfen Cajun-Gerichte. Andere waren ihm unbekannt.
Er verschwendete wertvolle Zeit mit der Suche nach einem Behälter, mit einem Ohr lauschte er auf mögliche Geräusche, die von Marguerites Wagen oder Veedals Pferd stammen könnten. Schließlich fand er eine Schüssel und begann mit der mühseligen Arbeit, von allen Pflanzen Proben zu sammeln. Er nahm sogar die Arten mit, die er kannte.
Er wollte bereits gehen, als ihm an der Südseite des Gartens ein hochstehender Grasstreifen auffiel. Die Ähren, schwer mit schwarzen körnigen Samen besetzt, wogten im Wind. Bermudagras hatte ebenfalls schwarze Ähren, diese hier aber waren anders. Er trat näher. Die Pflanzen kamen ihm so ungewöhnlich vor, dass er eine Hand voll packte, sie mitsamt den Wurzeln ausriss und zu seiner Sammlung
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