Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
Caleb Bastion hinten am Hosenbund und zerrte ihn von Praytors blutendem Bein.
»Du verdammtes kleines Ungeheuer!« Praytor versuchte mit seinem unverwundeten Bein nach dem Kopf des Jungen zu treten. Raymond riss den Jungen nach hinten, gleichzeitig packte er Praytor an der Ferse seines mit einer Silberspitze beschlagenen Stiefels und stieß ihn nach hinten weg. Praytor schlug so heftig auf dem Boden auf, dass ihm die Luft wegblieb und er einen Augenblick lang wie betäubt dalag.
Raymond, der noch immer Caleb am Wickel hatte, packte auch den jüngeren Bruder am Hemdkragen, beförderte beide in eine Zelle und knallte die Tür zu. Er wandte sich an Joe. »Was haben Sie sich nur gedacht? Das sind doch noch Kinder.«
»Wo haben Sie gesteckt?« Joe sah zu Praytor und vergewisserte sich, dass er noch am Leben war. »Sie hätten ihn umbringen können. Sein Bein blutet stark.« Finster blickte er zu den Jungen, die sich an die Gitterstäbe klammerten. Sie grinsten ihn an.
»Kakerlaken haben bislang noch immer überlebt, seitdem die Menschen aus ihren Höhlen gekrochen sind. Und wenn man Praytor umbringen will, reicht es nicht aus, ihn nur ins Bein zu beißen oder von den Füßen zu holen.«
»Sehr witzig. Wo zum Teufel waren Sie?« Joe stopfte sich das Hemd in die Hose.
»Darüber reden wir später.«
»Wo ist Adele Hebert? Die Jungen behaupten, sie wäre gestern Nacht frei in der Stadt rumgelaufen.«
»Ja, hab ich von Pinkney schon gehört. Sie ist rumgelaufen und hat geheult und gesabbert. Sind das nicht die Jungen, die eine Vogelscheuche an einen Baum gehängt haben, um den Priester zu erschrecken? Sehr glaubwürdige Zeugen, meiner Meinung nach.«
Joe sah zu den Jungen und seufzte. »Ja. Das waren die beiden. Sie haben dem Priester erzählt, ihr Daddy hätte sich mit Adele im Traktorschuppen getroffen, und sie wollen gesehen haben, wie sie sich in einen Wolf verwandelt und ihn angefallen hat.«
»Und Sie glauben ihnen jedes Wort.«
Praytor zog sich am Tisch hoch, ließ sich auf einem Stuhl nieder und starrte zu Raymond. »Sie sind nicht so verdammt clever, wie Sie meinen. Die Jungen haben Adele in der Stadt gesehen. Und Sie wissen, dass das stimmt. Sie schützen diese verrückte Schlampe. Sie hat einen Mann umgebracht und sich ein Kind geschnappt, und trotzdem wollen Sie ihr keine Kugel in den Kopf jagen, damit das alles endlich ein Ende hat.«
Raymond spürte den Druck in seiner Brust, spürte, wie sich seine Kopfhaut spannte. Nach Antoines Tod hatte er nichts anderes im Sinn gehabt als zu töten. Er hatte sich für jeden riskanten Einsatz gemeldet, war über die Deutschen hergefallen, als wäre er unbezwingbar. Er hatte sie erschossen, erstochen, totgeprügelt, aber es hatte alles nichts genützt. Nichts von alldem hatte den Anblick seines toten Bruders auslöschen können. Er hatte damit nur eines erreicht – die Schrecken seiner Erinnerungen hatten sich nur verschlimmert. Als die Schrapnellsplitter ihm schließlich Einhalt geboten hatten und er nach Hause geschickt wurde, hatte er sich geschworen, nie wieder die Beherrschung zu verlieren, nie mehr seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Die Vorstellung aber, Praytor jetzt die Faust ins Gesicht zu rammen, war beinahe unwiderstehlich. »Praytor, warum ist es Ihnen so wichtig, dass Adele stirbt? Ein so mutiger Mann wie Sie hat doch keine Angst vor einem Werwolf?« Er stieß ein leises Heulen aus.
»Schluss damit.« Joe trat zwischen sie. »Wo ist Adele, Raymond?«
»In Sicherheit.« Er hatte nicht vor, in Anwesenheit von Praytor irgendetwas verlauten zu lassen. Wollte er sich wirklich Joe anvertrauen, dann nur unter vier Augen.
»Sie haben sie nicht nach Lafayette gebracht.«
»Ich weiß. Sie ist an einem Ort, an dem Leute wie Praytor und sein Mob ihr nichts anhaben können.«
»Wenn ich sie mir schnappen will, dann kann mich auch die alte Hexe nicht aufhalten.« Langsam kam Praytor auf die Beine. »Und auch Sie werden mich nicht aufhalten, Thibodeaux. Die Menschen in New Iberia haben es verdient, in Sicherheit zu leben. Jeder weiß, dass Sie unter dem Bann von Adele Hebert stehen. Beim nächsten Vollmond werden Ihnen Reißzähne und lange Haare wachsen. Dann werden wir Sie mit ihr erschießen.«
Kurz verschwamm alles vor Raymond, er hatte damit zu kämpfen, sich unter Kontrolle zu behalten und Praytor Bless nicht einfach zu Brei zu schlagen. »Die meisten in der Stadt dulden Sie, Praytor, wegen Ihrer Mama. Alle wissen, Sie sind ein Feigling und ein
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