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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zweifelte keine Sekunde daran. Die Jungen waren nicht zu bändigen. »Und was passiert jetzt mit ihnen?«
    »Im Gefängnis sind sie vorerst gut aufgehoben. Aber damit beschäftigen wir uns erst, wenn es so weit ist. Ich hoffe, ihre Mutter taucht wieder auf und stellt sich ihrer Verantwortung. Würde der County eine Menge Arbeit und Kosten ersparen. Natürlich, falls Praytor Klage einreicht, sieht es anders aus, aber irgendwie kann ich mir kaum vorstellen, dass er vor Gericht öffentlich eingesteht, von einem Zwölfjährigen überrumpelt worden zu sein.«
    »Und Raymond?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Wir warten noch, was der Doc sagt.« Joe klopfte dem Priester auf die Schulter. »Wenn Mrs. Bastion irgendwas gesagt hat, das uns bei der Suche nach ihr weiterhelfen könnte, dann geben Sie mir Bescheid.« Er ging durch den Flur und bog nach links zu Doc Fletchers Küche ab.
    Der Priester wandte sich wieder zum Fenster. Irgendwann würde sich der Nebel lichten und die Stadt wieder freigeben. Aber es würde nicht mehr das New Iberia sein, das er gekannt hatte. Das finstere Herz der Stadt hatte sich gezeigt. Raymond hatte es gesehen, und jetzt endlich verstand der Priester, warum er sich in Gegenwart des Deputy immer so unwohl gefühlt hatte. Raymond hatte diese Finsternis geschaut – etwas, dem er sich selbst niemals hatte stellen wollen.
    In der ganzen Stadt erzählte man sich Geschichten über Raymond. Wie er in einem kleinen französischen Ort ein Dutzend Deutsche in einen Hinterhalt gelockt und getötet hatte. Wie er einen Angriff gegen eine Mörserstellung angeführt, wie er den Sprengstoff platziert hatte, um eine Brücke zu zerstören. Raymond, der Held, der Mann, der dem Feind furchtlos gegenübertrat.
    Trotzdem hatte er die Orden, die er für seine Tapferkeit erhalten hatte, in den Teche geworfen. Ein Gemeindemitglied hatte ihn dabei beobachtet. Und es gab das – nur hinter vorgehaltener Hand erzählte – Gerücht, er habe darum gefleht, zu sterben, als es so aussah, als könnte er für immer gelähmt bleiben. Noch eine Woche zuvor hatte der Priester ihm das als Schwäche ausgelegt.
    »Vater?«
    Widerstrebend drehte er sich zum Bett um. Er konnte Veedal kein Mitgefühl entgegenbringen, so sehr er sich auch bemühte. Seine Abscheu vor dem Mann war so groß, dass er ihn kaum ansehen konnte.
    »Ja.« Er richtete den Blick auf das Kopfkissen.
    »Schicken Sie Thibodeaux rein«, seine Worte waren nur noch ein tiefes Rasseln. Durch den Aufprall des Wagens waren seine Lungen verletzt worden.
    »Er hat zu tun.« Michael wollte Veedal nicht die Genugtuung verschaffen, dass auch Raymond ernsthaft verletzt war. Er lag in einem Krankenhausbett und wurde mit Flaschenzügen und Gewichten gestreckt, in der Hoffnung, die gedehnten Muskeln würden den Druck der Schrapnellsplitter mindern.
    »Ich muss ihm was sagen.«
    Das Röcheln des Mannes war nur ärgerlich. Der Priester betete um Erbarmen und schluckte seine spitze Erwiderung, die ihm schon auf der Zunge lag, hinunter. »Sagen Sie es mir, und ich sorge dafür, dass er es zu hören bekommt.«
    Tief krächzend ertönte Veedals Lachen. »Sagen Sie ihm, wir sehen uns in der Hölle wieder.«
    Der Priester wich zurück. Als er daraufhin Veedal in die Augen starrte, erkannte er, dass das Leben aus ihnen wich. Ein blauer Schleier legte sich auf die blasse Iris, dann tat er seinen letzten Atemzug.
     
    Es war eine samtige Sommernacht, weiche Schwärze, durchsetzt mit dem Zirpen der Grillen und dem fernen Ruf einer Eule. Ein kleines Tier quiekte, Beute für den Räuber. Raymond sah den Mond aufgehen, eine kalte Lichtscheibe, umgeben von einem roten Glühen, ähnlich dem Strahlenkranz eines Heiligen. Das blasse Gesicht des Mondes, in Blut getaucht, Licht, das von Gewalt befleckt wurde.
    Stille legte sich über die Bäume. Raymond lauschte. Ihre Schritte näherten sich wie ein Versprechen. Als sie zwischen den Wassereichen hervortrat, hörte er ihr Keuchen, das ihm bislang entgangen war. Sie bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines wilden Tiers, mühelos glitt sie dahin.
    Ihr zerrissenes Kleid berührte kaum ihre Oberschenkel, die milchige Rundung gespannter Muskeln wurde sichtbar. Um die Taille trug sie einen silbernen Gürtel, der das blutige Licht des Mondes einfing und als ein warmes Schimmern wiedergab. Sie umkreiste ihn, bewegte sich gegen den Wind, um ihn besser wittern zu können. Hob den Kopf wie ein Hund, schnupperte, verließ sich auf ihre animalischen Sinne. Raymond,

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