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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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unfähig, sich zu bewegen, starrte sie nur an. Er hatte keine Angst vor ihr. Man konnte keine Angst haben vor einem Wesen, das solche Anmut, solche Körperbeherrschung ausstrahlte.
    Als sie zufrieden war mit seinem Geruch, kam sie näher. Ihr dunkles Haar hob sich im leichten Wind, in dem die Baumwipfel rauschten.
    »Adele«, sagte er.
    »Es ist an der Zeit, wegzulaufen.« Sie griff nach seiner Hand, nahm sie, ihre warme Zunge leckte seine Handinnenfläche, so dass ihm ein Schauer über den Körper rieselte. »Mit mir kannst du wieder laufen. Ich kann dich heilen.«
    Er konnte ihr nicht widerstehen. Das Mondlicht glimmte rot in ihren Augen. »Bist du glücklich?«, fragte er.
    »Ich bin frei«, flüsterte sie, an sein Ohr gebeugt. Er spürte ihre rauen Schnurrhaare. Dick und lang wuchsen ihre Klauen. »Ich bin frei, Raymond. Koste, wie es sich anfühlt, frei zu sein. Von der Vergangenheit, vom Schmerz, von allem. Wir können durch die Wälder laufen, zusammen jagen. Keine Schmerzen. Laufen.«
    Er spürte ihre Zähne an seinem Hals und machte keinerlei Anstalten, sich zu wehren. Nie hatte er etwas anderes gewollt, als sich ihr auszuliefern, sich ihr völlig hinzugeben.
    »Raymond?«
    Er versuchte die Stimme auszublenden, die ihn rief. Jemand berührte ihn an der Schulter, schüttelte ihn, zwang ihn weg vom Wald, wo der Mond in einem Heiligenschein aus Blut verschwamm.
    »Raymond, du musst bei uns bleiben.«
    Er schlug die Augen auf und sah sich um. Was immer Doc Fletcher ihm gegeben hatte, es hatte die Schmerzen nicht vertrieben, sie aber gemildert. Er wusste, wo er sich befand, alles in ihm drängte danach, sich zu erheben, aber er konnte keinen einzigen Muskel bewegen. Was geschehen war, lag unter undurchdringlichen Schichten verborgen. Er konnte deutlich die blassen Teerosen der Tapeten erkennen und den schweren Samt der Vorhänge, und er wusste, wo er war. Wie er dahin gekommen war, entzog sich ihm.
    Chula Baker stand an seinem Bett, dahinter ein großer, eleganter blonder Mann. Vage erinnerte er sich an ihn. »Chula?« Vielleicht, dachte er sich, war sie eine Erscheinung, jemand aus seiner lang zurückliegenden Vergangenheit, jemand vor dem Krieg. Er hörte ein leises Tappen am Fenster. Er sah hinaus. Adele war dort und wartete auf ihn. »Was machst du hier?«, fragte er Chula.
    »Der Doc sagt, du stündest unter schweren Medikamenten, er hat nicht gelogen. Einen Augenblick lang hab ich geglaubt, du wärst tot.« Sie hielt seine Hand und streichelte sie. »Sarah, das kleine Mädchen der Bastions, ist bei meiner Mutter. Wir kümmern uns um sie …« Sie sah zu dem Mann. »Raymond, ich mach mir Sorgen um Madame Louiselle. Als ich ihr die Kräuter gebracht habe, war niemand da. Und Jolene LaRoche schwört, Adele Hebert im Haus der Bastions gesehen zu haben, wo sie Sarah auf dem Schoß hatte. Ich weiß, das ist unmöglich. Adele liegt im Koma. Aber Jolene schwört, sie gesehen zu haben. Sie ist fürchterlich durcheinander und erzählt überall in der Stadt ihre Geschichte. Und jetzt sagen die Leute, Adele hätte Marguerite etwas angetan.«
    Raymond versuchte sich auf Chulas Gesicht zu konzentrieren, wo an den Mundwinkeln und zwischen den Augenbrauen ihre Sorge tiefe Furchen hinterlassen hatte. Die Miene des Mannes bestätigte seine Befürchtungen. Raymond kämpfte gegen seine Lethargie und das starke Bedürfnis, zum Mondlichtdämmer und dem verlockenden Traum zurückzukehren. »Jolene hat Adele gesehen? Wann?« Er schloss die Augen und sah Adele im Mondlicht, ein Schimmern in ihrem Blick, während sie ihm die Freiheit versprach.
    »Jolene war heute draußen auf der Bastion-Plantage.« Sie sprach deutlich, mit fester Stimme, und forderte seine Aufmerksamkeit. »Als ich davon gehört habe, bin ich sofort rausgefahren und hab Sarah geholt. Es fehlt ihr nichts.« Sie runzelte die Stirn. »Sie benimmt sich nur etwas komisch. Sie spricht nicht.«
    »Hast du Adele gesehen?« Er versuchte zu schlucken; sein Hals war trocken. Chula bot ihm vom Nachttisch ein Glas Wasser an.
    »Ich hab sie nicht gesehen. Ich dachte, sie wäre bei Madame Louiselle.«
    Raymond wehrte sich gegen die Medikamente, die ihn in den Schlaf, zu seinen Träumen locken wollten. Er versuchte sich im Bett aufzurichten und spürte im Rücken stechende Schmerzen. »Bin ich gelähmt?«, fragte er.
    »Du bist nicht gelähmt. Sie befürchten, die Metallsplitter haben sich verschoben und sind näher ans Rückgrat gewandert. Der Doc sagt, du musst im Bett

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