Im Netz der Angst
weiterbringen.
Elise warf ihm einen scharfen Blick zu. »Strangulation ist ein typisch männliches Verbrechen. Und dieses krankhafte Machtspielchen, das er mit ihr getrieben hat? Du weißt , dass das ebenfalls auf einen männlichen Täter hinweist!« Dann wandte sie sich wieder an den Doc. »Irgendwelche Anzeichen für ein Sexualverbrechen? Bei der männlichen oder der weiblichen Leiche?«
Josh wusste, weshalb sie danach fragte. Bei sexueller Gewalt ging es in den seltensten Fällen um Lust. Sondern darum, die Oberhand über jemanden zu gewinnen, zu geben und wieder zu nehmen – es ging um Macht. Und jemanden auf diese Art und Weise zu würgen, bis das Opfer halb ohnmächtig war, sein Leben dann wieder um einige Sekunden zu verlängern, und das wieder und wieder, war ein Machtspiel. Wer auch immer das getan hatte, hatte dieselben Vorlieben wie ein Sexualtäter.
»Nein. Nichts dergleichen«, erwiderte Halper.
Elise schüttelte den Kopf. »Das kleine Mädchen dort im Krankenhaus kann das hier unmöglich getan haben, Josh.«
»Kleines Mädchen?«, fragte Halpern.
»Die Tochter der Opfer«, antwortete Josh. »Sie ist am Tatort aufgefunden worden. Uns will es allerdings nicht gelingen, sie zum Reden zu bringen, sie hat einfach vollkommen dichtgemacht.«
»Ich sollte mehr über die Größe des Täters sagen können, sobald ich alles genauer berechnet habe. Bislang kann ich noch nichts ausschließen«, sagte Halper. »Doch es müsste schon ein verdammt wütendes kleines Mädchen gewesen sein. Und ich stimme Elise in dieser Hinsicht völlig zu: Strangulation ist eine Männerdomäne.«
Josh seufzte erleichtert. Keiner von ihnen hatte sich die Kleine als Mörderin vorstellen wollen. Das Einzige, was noch schlimmer war als jugendliche Straftäter, waren jugendliche Opfer oder Kinder, denen etwas derart Schlimmes passiert war. Dieser Ausdruck in ihren Augen. Die Enttäuschung. Die Schmach. Die Verwirrung. Der Schmerz. Für sie war die Welt nicht mehr dieselbe. Sie würden nie wieder leicht zu einem anderen Menschen Vertrauen fassen, die Wunden ihrer Seelen würden niemals heilen. Das waren die Fälle, die Josh das Herz brachen.
»Übrigens hat das männliche Opfer ebenfalls aufgescheuerte Knie«, fuhr Halpern fort. »Mag er auch schneller umgebracht worden sein als seine Ehefrau, unser Täter hat ihn jedoch ebenfalls auf seinen Tod zukriechen lassen.«
»Also, wieso wurde das männliche Opfer kurz und schmerzlos erledigt, das weibliche aber derartig gequält?«, fragte Elise. Sie war offensichtlich immer noch verstimmt.
»Ein Mann stellt eher eine körperliche Bedrohung dar«, sagte Josh und schnallte sich an. »Er oder sie war möglicherweise davon überzeugt, Mrs Dawkin leichter dominieren zu können als ihren Ehemann. Besser, ihn rasch aus dem Weg schaffen, um sich dann bei ihr Zeit lassen zu können.«
»Verfluchtes sadistisches Arschloch«, murmelte Elise.
»Absolut«, stimmte Josh ihr zu. »Vielleicht hat der Mord an dem Ehemann den Täter auch in einen Rausch versetzt, sodass er sich entschied, dieses Vergnügen bei der Dame des Hauses hinauszuzögern.«
»Kranker perverser Mistkerl«, presste Elise hervor, ehe sie den Wagen anließ.
»Wohl wahr«, sagte Josh.
Elise warf ihm einen bösen Blick zu, ehe sie rückwärts ausparkte. »Sei bloß nicht so übertrieben rücksichtsvoll!«
Josh hob abwehrend die Hände. »Du fährst. Ich versuche nur, lebend aus der Sache rauszukommen.«
Während sie ruckartig von Rückwärts auf Automatik schaltete und sich in den Verkehr einfädelte, klingelte Joshs Handy in seiner Tasche. »Wolf.«
»Hallo Wolf, hier ist Reed.« Reed hatte Smitty heute Morgen um sieben im Krankenhaus abgelöst. »Ich dachte, es würde Sie interessieren, dass die Tante inzwischen hier eingetroffen ist.«
»Danke. Wir sind gleich da.« Josh legte auf und wandte sich an Elise: »Marian Phillips ist im Mercy General angekommen.«
»Jemand sollte die Seelenklempnerin anrufen und ihr Bescheid sagen. Du weißt schon, damit sie die Erlaubnis für unsere Einsichtnahme in die Patientenakte einholen kann.« Elise hielt das Gesicht abgewandt, dennoch erkannte Josh den Anflug eines Lächelns darauf.
»Tu dir keinen Zwang an«, sagte er.
»Aber es wäre nicht sicher, beim Fahren zu telefonieren«, gab Elise mit zuckersüßer Stimme zurück.
»Ach, komm. Ich hab schon gesehen, wie du gleichzeitig telefonierst, CDs wechselst und Kaffee schlürfst – und das alles, während du hinterm Steuer sitzt.
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