Im Netz der Angst
die Uhr von Fachkräften betreut werden müsste. Das Marian jetzt zu sagen, würde sie jedoch nur überfordern, war sich Aimee sicher. Die Frau neben ihr hatte gerade erst ihre Schwester und einen Schwager verloren und stand offensichtlich noch unter Schock. »Ich denke, hier in Sacramento gäbe es auch einige gute Möglichkeiten, Taylor unterzubringen«, erwiderte Aimee. »Orte, an denen sie therapeutisch betreut werden könnte, damit sie das alles irgendwie verarbeitet. Orte, an denen sie in Sicherheit ist.«
»Ach.« Marian riss erschrocken die Augen auf und presste das mittlerweile durchnässte Taschentuch, das sie in der Hand hielt, auf den Mund. »Meinen Sie, dass Taylor in Gefahr ist? Könnte … derjenige, der das getan hat, jetzt hinter ihr her sein?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Aimee. War Taylor in Gefahr? Wenn sie im Haus ihrer Eltern etwas gesehen haben sollte, machte sie das zur Zielscheibe für den Mörder? Unabhängig davon stellte sie im Moment definitiv eine Gefahr für sich selbst dar. »Besser, wir gehen da kein Risiko ein, was meinen Sie?«
Marian nickte. »Ja, das denke ich auch. Ich habe nur keinen blassen Schimmer, wie ich das alles regeln soll.«
»Schon gut«, sagte Aimee und legte Marian sanft eine Hand auf den Arm. »Dabei kann ich Ihnen helfen.«
MyChemicalGirl42:Das war knapp.
HardasRock: Ja. Sicher, dass sie mich nicht gesehen hat?
MyChemicalGirl42: Ja. Ganz sicher. Sonst hätte ich auf ewig Hausarrest bekommen. LOL. Dämliche Kuh.
HardasRock:ROFLMAO. Morgen Abend?
MyChemicalGirl42:Ich werde hier sein.
Josh fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, während er die E-Mails und Kurznachrichten zwischen HardasRock und MyChemicalGirl42 durchging. MyChemical42 war Taylor. Maribel Butera, die Computerexpertin bei der Spurensicherung, hatte Taylors Festplatte durchforstet und war laut eigener Aussage auf Gold gestoßen. Die Identität von HardasRock war allerdings noch nicht geklärt. Maribel wusste nur, dass er männlichen Geschlechts war, eine Beziehung mit Taylor hatte, und dass deren Eltern nicht besonders viel von ihm hielten. Davon abgesehen, hatten sie keine weitere Spur. Oder eben zu viele. Josh war durcheinander. Das alles bereitete ihm langsam Kopfschmerzen.
»Ich weiß bei der Hälfte von dem Kram nicht einmal mit Sicherheit, was es überhaupt bedeuten soll«, beschwerte er sich. Genau wie bei den E-Mails seiner Nichte. Wenn er sie dann bat, doch bitte in verständlichem Deutsch zu schreiben, verdrehte sie immer bloß die Augen. Man brauchte einen Dolmetscher für dieses Teenager-Latein.
» Sie sollen das ja auch nicht verstehen«, erwiderte Maribel. Sie war zweiunddreißig und hatte einen Abschluss in Informatik an der Sacramento-State-Universität. Noch dazu hatte sie eine dermaßen glatte, faltenfreie Haut, dass sie trotz ihres Alters noch als verdeckte Ermittlerin an die Highschool geschickt werden konnte, wenn es nötig war. Wenn sich also jemand hier mit Jugendslang auskannte, dann Maribel.
»Es soll die Erwachsenen verwirren. Darum geht es zumindest teilweise. Wie bei diesen Klingeltönen, die wir nicht hören können. So können sie uns ohne große Mühe ein Schnippchen schlagen.« Als Maribel sich über den Computer beugte, fiel ihr das dunkle Haar ins Gesicht.
»Es gibt Klingeltöne, die ich nicht hören kann?«, fragte Josh.
Maribel schaute zu ihm auf, dann glitt ihr Blick zu Elise und sie verdrehte die Augen. »Ja, Opa Wolf. Es gibt Klingeltöne in Frequenzen, die Sie nicht hören können, die Jugendlichen hingegen schon. Die nehmen sie in der Schule. So können sie sich unbemerkt gegenseitig Nachrichten schicken, ohne von den Lehrern erwischt zu werden.«
»Na großartig.« Wieder etwas, das spurlos an ihm vorbeigegangen war und weswegen er sich alt vorkam. Er deutete auf den Bildschirm. »Also, was sollen wir jetzt damit anfangen?«
Maribel zuckte mit den Achseln. »Ich bin mir nicht sicher. Ich hatte schon eine Menge Nachrichten durchgelesen, ehe ich euch angerufen habe. Wollt ihr eine Zusammenfassung oder möchtet ihr euch da selbst durcharbeiten?«
»Eine Zusammenfassung wäre schön«, sagte Elise. »Ich muss nicht jede Einzelheit wissen. Jedenfalls noch nicht.«
»Also schön«, sagte Maribel, verscheuchte Josh von ihrem Platz und setzte sich vor den Monitor. »Dieser HardasRock-Kerl ist ganz offensichtlich Taylors Freund. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihn nachts heimlich ins Haus geschmuggelt hat. Liegt ihr Zimmer im
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