Im Netz der Angst
am liebsten an der Gurgel packen und schütteln wollte. Hatte die hier etwa auch noch eine Seelenklempnerin in petto, die ihm den Kopf verdrehen würde? Dann wäre das Chaos perfekt.
»Ich bin sicher, Taylor hätte Verständnis dafür, wenn du das Versprechen brichst«, sagte er. »Es hat sich schließlich eine Menge verändert, seit du ihr dein Wort gegeben hast.«
Jennas Unterlippe bebte, sie ließ das glatte braune Haar vor ihr längliches Gesicht fallen, mit dem sie ihn ein wenig an ein Pferd erinnerte. »Das weiß ich. Mein Dad hat mir alles erzählt. In der Schule reden sie von nichts anderem und es kam auch in den Nachrichten. Das ist so furchtbar!«
»Genau«, erwiderte Elise sanft. »Es reden sowieso alle darüber, also kannst du uns ebenso gut erzählen, was wirklich geschehen ist. Jenna, wenn du irgendetwas weißt, das uns dabei helfen könnte, den Kerl zu schnappen, der das getan hat, dann ist es völlig in Ordnung, uns davon zu erzählen.«
Josh konnte nicht sagen, ob Elise das Mädchen wie er am liebsten ohrfeigen würde. Sie war wirklich gut darin, im einen Moment mitfühlend und besorgt zu wirken, und dann, ZACK !, hatte sie einen knallhart festgenagelt, ehe man sich’s versah. Verdammt effektiv.
Jenna blickte zu ihrem Dad auf, der hinter ihr am Küchentisch stand. »Es ist bloß, weil Taylor und ich schon seit Jahren Freunde sind. Jahrelang!«, jammerte Jenna, doch das schien sowieso ihre bevorzugte Ausdrucksweise zu sein. Sie jammerte. Sie kreischte. Josh hatte nichts für derartige Dramen übrig.
»Sie sind schon zusammen in den Kindergarten gegangen«, warf Charles Norchester ein. »Und gemeinsam zur Schule, sobald sie alt genug waren, um allein die Straße zu überqueren.«
»Aber in letzter Zeit …« Jenna verstummte allmählich und ihre Unterlippe fing wieder an zu zittern.
Josh war überzeugt, dass dieses Zittern ihren Daddy dahinschmelzen ließ, an ihm war es jedoch viel zu oft von zu vielen Tätern und Freundinnen erprobt worden, als dass es ihn noch berühren würde. »Was war in letzter Zeit?«, fragte er.
»Sie fing an, mit einer Gruppe abzuhängen, die nicht zu unserem Freundeskreis gehörte. Wollte nicht mehr bei mir vorbeikommen oder was zusammen unternehmen. Und als ich diese Party veranstaltet habe, so O.C. California -mäßig, bei der wir alle Bikinis tragen und die DVDs schauen wollten, da ist sie nicht mal aufgetaucht. Sie sagte, das wäre öde. Sie liegt immer nur auf dem Bett und redet von …«
Josh wollte am liebsten mit dem Kopf auf den Tisch schlagen, als Jenna wieder mitten im Satz abbrach.
»Wovon redet sie?«, fragte er, allerdings anscheinend einen Tick zu schnell oder mit zu scharfem Tonfall, da Elise seinem Stuhl einen Tritt verpasste.
Mr Norchester hockte sich neben Jenna hin. »Ist schon gut, Liebes. Ich weiß, du möchtest das Versprechen halten, das du deiner Freundin gegeben hast, aber manchmal ist es das Richtige, sich nicht an eine Absprache zu halten. Ich weiß, das ist verwirrend und schwer zu verstehen.«
Josh musste ein Würgen unterdrücken. Wo war er hier bitteschön gelandet? In einer verfluchten Nachmittags-Talkshow?
»Aber sie wird nie wieder mit mir reden! Damit hat sie mir gedroht, falls ich mit jemandem darüber spreche, und ich glaube, dass es ihr sowieso egal ist, ob wir überhaupt noch miteinander reden oder nicht.« Jetzt weinte Jenna.
»Also hast du dich mit Taylor verkracht?«, fragte Elise. »Weswegen?«
Jenna holte tief Luft. »Eigentlich war da nichts. Taylor hat sich einfach … verändert.«
Na großartig, dachte Josh. Als hätte er noch nicht genug über Taylors Stimmungsschwankungen erfahren!
Elise legte ihm eine Hand auf die Schulter und fuhr, an Jenna gewandt, fort: »Aber sie ist doch neulich zu dir gekommen. Um zu lernen, hab ich recht?« Sie klang sanft und verständnisvoll.
Jenna Norchester brach erneut in Tränen aus. Josh verdrehte die Augen und schob ihr die Box mit Taschentüchern hin. Wie konnte irgendjemand der Meinung sein, dass das Versprechen einer Freundin gegenüber wichtiger wäre als eine Mordermittlung?
»Das haben wir nur gesagt – das mit dem Lernen. Eigentlich haben wir nicht gelernt. Ich meine, da gab es wirklich diesen Geschichtstest und dafür habe ich ja auch gelernt. Echt, Dad, das hab ich.« Jenna schaute zu ihrem Vater auf, der sie wieder beruhigend tätschelte und ihr versicherte, das wisse er.
»Aber Taylor hat nicht für diesen Test gelernt«, ergänzte Elise.
Jenna schüttelte
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