Im Netz der Angst
den Kopf. »Nein, hat sie nicht.«
»Was hat sie denn stattdessen getan?«, fragte Josh.
»Sie hat sich rausgeschlichen, um ihn zu treffen. Ich musste ihr versprechen, nichts zu verraten«, flüsterte Jenna.
Elise und Josh wechselten einen Blick. Also war Taylor nicht den ganzen Abend über hier gewesen, sondern hatte jemand anderen getroffen. Die Angelegenheit wurde langsam interessant. »Wen hat sie heimlich getroffen, Jenna?«, bohrte Elise.
»Flick«, murmelte das Mädchen.
»Flick? Ist das ein richtiger Name?« Josh war genügend Rainbows und Cedars und Sunshines begegnet, um eine Vorstellung davon zu bekommen, welch starken Einfluss die Hippie-Bewegung hier in der Gegend gehabt hatte – aber Flick ?
»Seinen richtigen Namen kenne ich nicht. Alle nennen ihn Flick«, sagte Jenna.
»Kennst du ihn nicht oder willst du ihn nicht sagen?«, fragte Josh.
Jenna reckte den Kopf. »Ich weiß ihn nicht. Ich sage Ihnen doch, alle nennen ihn Flick!«
Josh erhob sich. Er hatte genug. Wenn er diese kleine Rotzgöre auf die Wache bringen und eine Weile in die Zelle sperren musste, um die Informationen zu bekommen, die er brauchte, dann würde er genau das auch tun.
Elise legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wann ist Taylor gegangen? Erinnerst du dich daran, wie spät es war?«, wandte sie sich an das Mädchen.
Jenna kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Wir haben abgewartet, bis Dad die Wiederholung von der Daily Show geguckt hat. Das ist so gegen acht gewesen. Also war es nach acht.«
»Und wann ist sie zurückgekommen?«, hakte Josh nach. Sie wussten, dass Taylor wiedergekommen war: Norchester hatte ihnen erzählt, er hätte sie aus der Tür gehen sehen.
»So gegen halb zehn. Ich war schon langsam nervös, The Colbert Report war ja bereits vorbei und mein Dad hätte jede Minute nach uns sehen können. Das macht er manchmal, einfach so. Kommt ins Zimmer und schaut, was ich so treibe.« Sie warf ihrem Dad erneut einen Blick zu. Dieses Mal jedoch einen nicht ganz so liebevollen.
Josh blickte ebenfalls zu Mr Norchester hinüber. Offensichtlich gab es wenigstens einen Vater, der auf sein Kind achtete. Er fragte sich, wie lange ihm das noch möglich sein würde. »Sie hat sich also hinausgeschlichen und dich hier zurückgelassen? Das erscheint mir nicht gerade sehr freundschaftlich. Warum hat sie dich denn nicht mitgenommen?«
Jenna riss die Augen weit auf. »Haben Sie eine Ahnung, was mein Dad mit mir anstellen würde, wenn er mich dabei erwischt, wie ich mich heimlich wegschleiche? Ich hätte Hausarrest, bis ich dreißig bin oder so! Außerdem hat Mom versprochen, am Samstag mit mir shoppen zu gehen! Selbst wenn Taylor mich angefleht hätte, wäre ich nicht mitgegangen. Und Flick mag ich sowieso nicht. Ich finde, das ist ein hundsgemeiner Typ!«
Mr Norchester sank unvermittelt in einen Stuhl und vergrub den Kopf in beiden Händen. Es nahm einen bestimmt ziemlich mit, wenn einem aufging, dass der einzige Grund, warum die eigene Tochter in einem Mordfall nicht als verdächtig eingestuft wurde, ihre Angst war, am Wochenende nicht ins Einkaufszentrum gehen zu können.
»Was hat Taylor gemacht, während sie unterwegs war?«, fragte Elise. »Hat sie dir das erzählt?«
»Ich weiß nicht.« Jenna schoss die Röte ins Gesicht.
» Jenna «, sagte Elise eindringlich und ihr Ton ließ keinen Zweifel daran, dass sie dem Mädchen nicht glaubte. »Was hat Taylor gemacht?«
»Sie hatte eine Flasche Wein dabei, die irgendjemand ihrem Dad geschenkt hatte. Sie und dieser Typ wollten in den Park gehen, den Wein trinken und rummachen. Ihre Eltern hatten ihr verboten, ihn zu treffen, also musste sie sich etwas einfallen lassen, um ihn zu sehen. Ihre Mutter war dahintergekommen, dass sie ihn nachts ins Haus geschmuggelt hatte, überprüfte sie deswegen andauernd und hatte Schlösser an den Fenstern angebracht. Taylor musste sich sogar auf Drogen testen lassen und so’n Zeug. Sie hat gesagt, die wären wie die Gestapo.«
Josh warf Elise einen Blick zu. Aus Jenna würden sie nichts weiter herauskriegen, so viel war klar.
Elise war offenbar zu derselben Überzeugung gelangt; sie stand auf. »Vielen Dank, Jenna«, sagte sie ernst. »Wir wissen deine Hilfe zu schätzen.«
Jenna sackte in ihrem Stuhl zusammen. »Das hoffe ich. Taylor wird mir niemals vergeben.« Dann ließ sie ihren Tränen wieder freien Lauf. Mr Norchester tätschelte seiner Tochter den Rücken, während sie an seine Schulter gelehnt schluchzte, sie hätte versuchen
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