Im Netz der Angst
würde mich freuen, wenn wir uns darüber unterhalten könnten. Meine Karte liegt der Akte bei.« Wenngleich sie bezweifelte, dass Brenner sie anrufen würde, einen Versuch war es wert.
Brenner nickte und rief eine weitere Hilfskraft, die sie zu Taylor bringen sollte. Er könne sie leider nicht begleiten, da er noch jede Menge Papierkram zu erledigen habe.
Im Gleichschritt folgten Josh und Aimee der Pflegerin den Flur entlang. Aimee wisperte ihm im Gehen etwas verwirrt zu: »Äh, Detective –?«
Ein Grinsen huschte durch sein Gesicht. Er beugte sich zu ihr und flüsterte: »Die Bezahlung ist nicht besonders, mal ganz abgesehen von den Arbeitszeiten. Sicher, dass Sie das wollen?«
Seine tiefe Stimme so nahe an ihrem Ohr machte sie ganz kribbelig. »Auf jeden Fall.« Sie schluckte schwer und überlegte, wozu genau sie da eigentlich gerade zugestimmt hatte.
Er richtete sich auf und schaute auf sie hinab. »Gut. Denn was jetzt kommt, ist nicht gerade meine Stärke.«
Sie lächelte ihn an. »Dann sind wir ja quitt. Denn ich bin nicht besonders gut in dem, was Sie gerade für mich übernommen haben.«
Das brachte ihr ein leises Lachen ein. »Um Kerle wie Brenner mache ich mir keine Sorgen«, erwiderte er.
Wahrscheinlich war es für ihn ein Leichtes, mit den Brenners dieser Welt fertigzuwerden.
Die Pflegerin schloss die Tür zur Krankenstation auf. Schreie drangen aus einem der hinteren Räume, eine Frau mit leerem Gesichtsausdruck schlurfte über den Flur und hielt sich dabei an den Wänden fest, als hinge ihr Leben davon ab. Aimee ging nun vor Josh, dessen große Hand nun in ihrem Kreuz lag. Dieses Mal entzog sie sich ihm nicht.
»Sie sind im Aufenthaltsraum«, sagte die Pflegerin.
»Sie?«, fragte Aimee stirnrunzelnd.
»Ach so, Sie beide sind heute nicht Aimees einziger Besuch«, beeilte sich die Frau zu sagen. »Ein richtig beliebtes Mädchen. Am Anfang sind sie das meist.«
Das stimmte. Nach einiger Zeit wurden die Stippvisiten von Freunden und Familienangehörigen in der Regel seltener. Denn nach dem Besuch eines Patienten in einer Nervenheilanstalt stellte sich selten das Gefühl ein, eine gute Tat vollbracht zu haben. Zu oft konnten oder wollten die Patienten die ihnen entgegengebrachte Sorge oder das Mitgefühl nicht erwidern und nach einiger Zeit entfernten sich die anderen von ihnen. Wunden auf der Seele heilten nun einmal mindestens genauso langsam wie körperliche, wenn nicht gar noch langsamer. Da verloren die meisten irgendwann die Geduld. Wer so etwas nicht selbst erlebt hatte, konnte oft nicht begreifen, warum der Patient nicht einfach darüber hinwegkam.
Danny hatte damals jedenfalls nicht verstanden, warum Aimee das nicht gelungen war.
Sie bogen um die Ecke und traten in einen großen offenen Raum, in dem lange Tische standen. Durch die hohen Fenster an der gegenüberliegenden Wand sah man Bäume, wenn sie auch teilweise durch Gitter vor den Scheiben verdeckt waren. Taylor und ihre Besucher nahmen an einem Tisch in der Nähe der Fensterfront Platz.
Oberflächlich betrachtet machte Taylor einen besseren Eindruck. Die Schnitte nässten nicht mehr. Zwar schaukelte sie noch immer mit um sich geschlungenen Armen vor und zurück, aber immerhin saß sie auf einem Stuhl und bewegte sich nicht mehr so verstört.
Aimees Brustkorb verkrampfte sich. Sie fand es schrecklich, dass dies schon einen Fortschritt bedeutete. Es traf sie sehr, dass dieses kluge Mädchen mit so viel Potenzial derartig abgestürzt war. Ihr wurde schlecht, wenn sie daran dachte, dass ein so junger Mensch derart viel körperliche und emotionale Gewalt aushalten musste. Leider geschah das viel zu häufig.
Marian Phillips saß neben Taylor und strickte. Der Mann an ihrer Seite kam Aimee irgendwie bekannt vor. Er war groß, hatte breite Schultern, akkurat geschnittenes, dichtes dunkelblondes Haar und trug einen dieser Anzüge, die erkennen ließen, warum er so viel gekostet hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn einordnen konnte. Er war der Mann, der gemeinsam mit Orrin auf den Fotos im Flur der Dawkins abgebildet war. Also musste er Carl Walter sein, Orrins Geschäftsfreund und draufgängerischer Mitabenteurer.
Als sie sich näherten, erhob er sich und streckte die Hand aus, um sich vorzustellen. »Carl Walter.« Er behielt Aimees Hand ein klein wenig länger in seiner, als ihr angenehm war.
»Carl ist …«, Marians Stimme zitterte, »Carl war Orrins Geschäftspartner.«
»Und ein Freund der Familie«, fügte Carl hinzu
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