Im Netz der Angst
Hemd und zog ihn zu sich.
Dieser Kuss war weder zart noch flüchtig. Dieses Mal öffneten sich ihre Lippen und sie legte den Kopf in den Nacken, damit er sie schmecken, die Lust spüren, sich an ihrer Süße berauschen konnte.
»Definitiv nicht gegeneinander«, murmelte er an ihrem Mund.
»Da bin ich nicht so sicher«, sagte sie und schob ihn weg. Während sie ihn weiterhin mit dem Blick gefangen hielt, zog sie die Tür zu und ließ den Motor an.
Kyle biss sich beinahe die Lippe durch, um nicht laut aufzuschreien. Was zum Teufel tat Aimee da bloß? Wer war dieser Kerl? Warum stand er so dicht bei ihr? Warum ließ sie das zu? Es war ekelhaft, wie er sich praktisch an ihr rieb. Dieser Perverse!
Wie konnte sie ihm nur erlauben, sie auf diese Weise zu berühren? Niemand sollte sich an ihr vergreifen, sie gehörte ihm ! Er war für sie ins Gefängnis gegangen. Was würde er noch alles tun müssen, damit sie einsah, dass sie füreinander bestimmt waren?
Er hatte sich in der Böschung neben dem Parkplatz hinter ein paar Sträuchern versteckt und von dort aus alles beobachtet. Der Kerl sah aus wie ein Cop. Dieser Gang und wie er sich die ganze Zeit umblickte … Kyle hatte sich richtig in den Boden drücken müssen, um nicht erkannt zu werden. Das machte ihn stocksauer. Er kam sich mickrig vor, wie damals als Junge, wenn er sich im Schrank oder unter dem Bett versteckt und inständig gehofft hatte, dass ihn seine Brüder nicht finden würden. Dass er wenigstens eine Zeit lang seine Ruhe haben würde.
Wenn er Aimee beobachtete, fühlte er sich anders. Dann kam er sich wie ein Jäger vor, der geduldig darauf wartete, dass sich das Wild auf der Lichtung zeigen würde. Es war so einfach gewesen, ihr hierher zu folgen. Was für ein Witz diese Klinik war – eine schicke Einrichtung für die durchgeknallten Kinder der Reichen! Wahrscheinlich war hier diese Patientin von Aimee untergebracht worden, nachdem jemand ihre Eltern kaltgemacht hatte. Oooch , das arme reiche Mädchen musste in einer piekfeinen Kurklinik eingesperrt werden.
Er hatte sie gesehen, als sie zur Therapie gekommen war. Zwar hatte er da nicht gewusst, dass sie Aimees Patientin war, aber irgendetwas an ihr hatte Kyle abgestoßen. Vielleicht, dass sie Aimee ein wenig ähnlich sah, mit dem schwarzen Haar und den blauen Augen – nur war Aimees Haar wirklich schwarz und nicht gefärbt wie das von dem Mädchen. Diese Tussi war nichts weiter als eine armselige Angeberin. Wahrscheinlich gehörte sie weggesperrt.
Selbstverständlich hatten sie das auch über Kyle gesagt, aber da hatten sie sich gründlich geirrt. Das war ein schrecklicher Ort gewesen. Er hatte dort überhaupt nicht hingehört. Diese Klinik hier hatte rein gar nichts mit dieser Hölle gemeinsam, in der sie ihn all die Monate untergebracht hatten. Das kleine Prinzesschen auf der Erbse hätte in Vacaville keine zehn Minuten durchgehalten.
Kyle lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zu der Szene unten auf dem Parkplatz. Der Kerl brachte Aimee zu ihrem Wagen. Er berührte sie. Hatte ihr die Hand ins Kreuz gelegt, und sie tat nichts, um sich seinem Griff zu entziehen. Das durfte nicht sein! Nein, das durfte auf gar keinen Fall sein!
Der andere – Danny – war aus dem Spiel. Da war Kyle ganz sicher. Weder stand sein Wagen in der Nähe von Aimees Wohnung noch hatte Kyle ihn das Gebäude betreten oder hinausgehen sehen. Er hatte Aimee auch an keinem der Orte getroffen, zu denen Kyle ihr gefolgt war. Wer also war dieser neue Kerl und was zum Teufel bildete der sich ein, Aimee einfach so mit seinen Dreckspfoten anzugrabschen?
Und jetzt küsste dieses Schwein sie auch noch! Und Aimee erwiderte seinen Kuss. Was war da bloß los, verdammt noch mal?
Kyle würde keinesfalls zulassen, dass ein anderer Anspruch auf das erhob, was ihm gehörte. Wollte sie sich etwa jedem Dahergelaufenen in die Arme werfen? War sie auch nur so eine Schlampe?
Er würde ihr eine Lektion erteilen müssen. Er würde ihr beweisen, dass er allein der Richtige für sie war. Einmal war er bereits kurz davor gewesen – so kurz davor. Dann hatte dieser bescheuerte Danny Kyles Pläne durchkreuzt. Wenn er nur daran dachte, könnte er wieder laut losschreien. Er hatte sie genau da gehabt, wo er sie haben wollte, und dann … war sie ihm entrissen worden.
Er schloss die Augen und zählte bis zehn, um das aufwallende Rot zu vertreiben, das ihm den Verstand vernebelte. Er würde sie wiederkriegen.
Und er wusste auch schon wie.
Jesus, Maria
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