Im Netz der Angst
und Joseph, was zum Teufel hatte er da getan? Er hatte mitten auf einem öffentlichen Parkplatz eine in einen Mordfall verwickelte Person geküsst! Was hatte er sich nur dabei gedacht?
Offensichtlich hatte er gar nichts gedacht. Zumindest nicht mit seinem Hirn. In letzter Zeit übernahm auffallend häufig ein anderer Körperteil das Denken.
Josh rieb sich beim Fahren mit der Hand über das Gesicht, dann schaltete er die Scheibenwischer ein, weil ein Frühlingsgewitter losbrach. Der Verkehr auf der I-50 erlahmte. Nur mühsam unterdrückte er den Drang zu hupen. Bloß ein wenig Wasser, Leute! Kein Grund, auf einer Schnellstraße in Schneckentempo zu verfallen.
Aimee Gannon war äußerst anziehend. Und entsprach genau seinem Typ Frau. Irgendetwas an dieser stets wohlüberlegten, beherrschten Art, die sie an sich hatte, weckte in ihm das Bedürfnis, sie vor Wonne erschauern zu sehen. Trotzdem war er ein erwachsener Mann, noch dazu ein Gesetzeshüter, und kein hormongebeutelter Teenager, verdammt noch mal!
Zumindest war sie weder eine Zeugin noch eine Verdächtige in dem Fall. Wenn dem so wäre, dann würden er und sein bestes Stück jetzt richtig in der Klemme stecken.
Er fuhr zurück auf die Wache, stiefelte mit einem »Kein Kommentar!« an den wartenden Reportern vorbei und schwor sich, seine Aufmerksamkeit von jetzt an nur noch auf die Arbeit zu richten.
Aimee umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen, während sie den Parkplatz hinter sich ließ. Am liebsten hätte sie das Gas bis zum Anschlag durchgetreten und wäre mit quietschenden Reifen davongebraust. Sie widerstand dem Drang. Atmen . Tief durchatmen .
Hatte sie sich tatsächlich gerade eben mitten auf einem öffentlichen Parkplatz auf eine Knutscherei mit dem Detective eingelassen, der dabei war, Beweismaterial gegen ihre Patientin zusammenzutragen?
Eingelassen ? Verflucht, sie hatte ihn mehr oder weniger zu sich in den Wagen gezerrt!
Als der Wind stärker wurde, geriet sie ein wenig ins Schliddern. Ein Unwetter zog heran. Sie öffnete das Seitenfenster, kühlte die erhitzten Wangen an der frischen Brise und sog die regenschwangere Luft ein.
Sie würde zurück ins Büro fahren. Sich sammeln. Und sich dann weiter mit Taylors Akte beschäftigen. Vielleicht bekam sie noch etwas heraus. Bislang ergab sich für sie kein zusammenhängendes Bild. Wie auch, wenn sie vor Verlangen kaum klar denken konnte? Sie musste ihre Hormone in den Griff bekommen.
Aber es lag nicht allein an der sexuellen Anziehungskraft von Detective Wolf, dass sie das Lenkrad so fest umklammert hielt und derartig durcheinander war. Ihr wurde einfach alles zu viel. Taylors Reaktion war nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Die schrecklichen Erlebnisse der letzten Stunden holten sie wieder ein. Der Anblick in Taylors Zuhause. All das Blut. Die an die Wand geschmierten Symbole.
Aimee fädelte sich auf die Interstate in Richtung Innenstadt ein. Als die ersten Regentropfen auf ihre Windschutzscheibe prasselten, kurbelte sie die Fenster hoch und schaltete die Scheibenwischer ein.
Detective Wolf trug auch nicht gerade zu ihrem Seelenfrieden bei. Aimee bezweifelte, dass er sich seiner fast schon greifbaren erotischen Ausstrahlung bewusst war, die sie ebenso wie seine aparten Bewegungen magisch anzog. Jedes Mal, wenn er ihr die Hand ins Kreuz legte, regte sich unkontrollierbares Verlangen in ihr. Genau wie vorhin, als er sich zu ihrem Wagen hinabgebeugt hatte, um mit ihr zu reden, sein Mund so nah an ihren Lippen, dass ihr Herz schneller schlug. Als er sie geküsst hatte, war es vollkommen um sie geschehen.
Aimee war froh gewesen, dass er sie noch zum Wagen gebracht hatte, seine Nähe wirkte beruhigend auf sie. Vielleicht lag es an seiner stattlichen Erscheinung. An seiner Größe. An den breiten Schultern. Den kräftigen Händen. Seiner uneingeschränkten Männlichkeit.
Sie atmete noch einmal tief durch. Dieses beunruhigende Gefühl, überwacht zu werden, war heute besonders stark. Sie war sich von der Sekunde an, in der sie ihre Eigentumswohnung verlassen hatte, wie unter Beobachtung vorgekommen. Seit man sie über Kyles Entlassung aus der staatlichen Nervenheilanstalt informiert hatte, war sie nervös, hinter jeder Ecke witterte sie Gefahr. Sie schaute zu ihrer Handtasche hinüber, in der das Pfefferspray verstaut war, und hoffte, dass sie dieses Mal besser vorbereitet wäre. Sie hatte eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt. Sie war stets
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