Im Netz der Angst
die Schulter zurück und rannte los, ohne auch nur einen Moment zu zögern.
Josh lächelte Elise an. »Ich liebe es, wenn sie davonlaufen.«
»Hol ihn dir, Tiger«, spornte sie ihn an und erwiderte sein Lächeln.
Josh sprintete los. Es war nicht schwer, Brent im Blick zu behalten. Der hoch abstehende Irokesenschnitt mit den violetten Spitzen stach aus der Menge heraus; außerdem gab es nur wenige Gänge in dem Einkaufszentrum, die nicht in einer Sackgasse endeten. Josh wich einer jungen Frau mit Kinderwagen aus und umrundete zwei weißhaarige Damen in Bootsschuhen. Jetzt hatte er bis auf wenige Meter aufgeholt. Er stand schließlich nicht umsonst jeden Morgen um halb sechs auf, um zehn Kilometer zu joggen. Als er Brents pfeifenden Atem hörte, gratulierte er sich selbst dazu, nie mit dem Rauchen angefangen zu haben.
Nach vier langen Schritten packte er Brent am Kragen seiner Lederjacke. Er zerrte ihn zurück, sodass Brent den Halt verlor. Sicher und geschickt drehte Josh den Jungen noch im Flug so um sich selbst, dass er bäuchlings landete und nicht mit dem Kopf auf den harten Fliesenboden schlug. Dann drückte er ihm ein Knie in den Rücken.
Elise holte sie ein, als Josh dem Ausreißer die Handschellen anlegte. »Hi Brent«, sagte er dabei. »Ich bin Detective Wolf. Ich würde mich gern mit dir unterhalten.«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen«, nuschelte Brent mit dem Gesicht auf dem Boden.
»Dann hättest du besser nicht wegrennen sollen«, sagte Elise gelassen. »Denn das lässt durchaus darauf schließen, dass du uns sehr wohl etwas zu erzählen hast.« Sie hievten Brent auf die Füße.
»Mann, wegen Ihnen komm ich noch zu spät zur Arbeit«, grummelte Brent.
Während sie unter den neugierigen Blicken der Umstehenden mit ihm auf den Ausgang des Einkaufszentrums zumarschierten, bemerkte Elise: »Du hättest dir das mit dem Weglaufen wirklich überlegen sollen. Mir ist das Nachjagen ja zuwider, aber für meinen Partner gibt es nichts Besseres. Deswegen hatte er dich auch nach nur etwa fünfundvierzig Sekunden auf dem Boden. Außerdem werden wir deine Mutter anrufen müssen, damit sie dich nach unserem kleinen Pläuschchen von der Wache abholt. Und da freuen wir uns schon richtig drauf. Sie ist wirklich ein bezauberndes Geschöpf.«
Sobald Aimee die Kliniktüren erblickte, beschlich sie ein ungutes Gefühl. Hatte sich Danny auch so gefühlt, als er sie nach dem Überfall von Kyle tagein, tagaus im Krankenhaus besucht hatte? Sie hatte knapp eine Woche dort verbracht, und jeden einzelnen Tag wachte er damals neben ihrem Bett. Wenn er sich dabei so gefühlt hatte wie sie jetzt, dann wünschte sie, sie hätte ihm gegenüber mehr Verständnis gezeigt.
Diesmal kam sie ohne Schwierigkeiten durch den Empfangsbereich, an der Tür zur geschlossenen Abteilung machte ihr jedoch keiner auf. Stattdessen kam eine Schwester hinaus, um mit ihr zu sprechen. »Tut mir leid«, sagte sie. »Das ist jetzt kein guter Zeitpunkt, um Taylor zu besuchen.«
Sofort schrillten bei Aimee die Alarmglocken. »Was ist los?«
»Tut mir leid, aber gehören Sie zur Familie?«
»Nein, ich bin ihre Therapeutin.«
Die Schwester zog die Augenbrauen zusammen und war offensichtlich verwirrt. Dennoch sagte sie: »Da müssen Sie mit Dr. Brenner sprechen. Tut mir leid. Ohne seine Erlaubnis kann ich nicht mehr sagen. Soll Sie jemand zu seinem Büro bringen?«
»Nein, danke«, sagte Aimee. »Ich kenne den Weg.«
Aimee beeilte sich, zu Brenners Büro zu kommen, die Sorge beschleunigte jeden ihrer Schritte. Sie klopfte an die geschlossene Tür und hörte ein gedämpftes »Herein!«.
»Dr. Gannon«, begrüßte er sie, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und streckte ihr die Hand hin.
Sie ergriff die Hand, setzte sich jedoch nicht. »Die Schwester wollte mich nicht zu Taylor durchlassen. Was ist passiert?«
»Nachdem Taylors Tante gegangen war, ist es gestern Abend zu einem Zwischenfall gekommen.« Brenner setzte sich wieder und musterte sie vorsichtig.
»Was für ein Zwischenfall?« Was war mit Taylor geschehen? Und wie?
»Ihr, äh, ist es gelungen, das Gitter vor der Lampe in ihrem Bad zu lösen und sich dann recht schwerwiegend mit den Scherben der zerbrochenen Glühbirne zu verletzen.« Brenner schien Aimees Blick auszuweichen, stattdessen schaute er beim Reden auf die vor sich liegenden Unterlagen.
Aimee war höchst erstaunt. Dasselbe Mädchen, das nur apathisch dagesessen, sich vor- und zurückgewiegt und seinen Stoffhund umklammert
Weitere Kostenlose Bücher